May auf Tour: Verhandeln um jede einzelne Formulierung
Nachverhandelt wird nicht, bleibt die EU auf Kurs. Und doch führt Theresa May ein Brexit-Gespräch ums andere.
Einen wesentlichen Teil des gestrigen Tages verbrachte Theresa May im Flugzeug. Frühstück in Den Haag (mit Ministerpräsident Mark Rutte), Lunch in Berlin mit Angela Merkel, Fünf-Uhr-Tee mit Ratspräsident Donald Tusk in Brüssel und Dinner mit Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Michel Barnier. Dabei hatten alle diese Gesprächspartner zuvor schon klargemacht: Nachverhandelt wird nicht.
Was also erhofft sich May von ihrer Rettungsmission durch halb Europa? Hauptsächlich dürfte es um ergänzende Formulierungen und „weitere Zusicherungen“zum „Backstop“gehen. Ratsvorsitzender Sebastian Kurz, der gestern mit May und Barnier in Kontakt war, möchte prüfen, inwieweit der britischen Seite hier mehr Sicherheit gegeben werden könne, ohne das Austrittsabkommen aufzuschnüren. Tusk twitterte: „Wir wollen helfen, aber wie?“
Der Hauptstreitpunkt ist nach wie vor die Irlandfrage und der NotfallsBackstop, der Großbritannien in einer Zollunion mit der EU festhalten würde, falls es in der Übergangszeit zu keiner Einigung kommt. Einseitig ist diese Maßnahme nicht kündbar, was britische Hardliner nicht zulassen wollen. Was also, wenn man sich jetzt auf eine Zusatzklausel verständigen würde, die sowohl einen zeitlichen Rahmen als auch einen für beide Seiten akzeptablen Ausstieg erlaubt?
Am 29. März 2019 tritt Großbritannien aus der EU aus. Gibt es keinen gültigen Vertrag, gibt es auch keine Übergangszeiten, dafür aber den gefürchteten „harten“Brexit. Sind aber alle Beteiligten einverstanden, wäre eine Verschiebung vorstellbar, vielleicht für ein halbes oder ganzes Jahr. Ein Problem sind die EU-Wahlen Ende Mai, das wäre eine Herausforderung für Europarechtler: Die Briten müssten dann wohl mitmachen und Abgeordnete entsenden, wenn auch nur für Wochen oder Monate. Gleichzeitig wäre die Neuordnung des Parlaments außer Kraft – Österreich zum Beispiel würde statt 19 Mandaten bei 18 bleiben. Ob das geht oder die britischen Abgeordneten gar nur einen „Beobachterstatus“hätten, darüber gibt es auch innerhalb der Fraktionen geteilte Meinungen.
Immer wieder ist die Rede von einem zweiten Referendum. Der punktgenau am Montag ergangene Entscheid des Europäischen Gerichtshofs, wonach die Briten einseitig vom Brexit zurücktreten könnten, mag da wie eine Einladung wirken. Was in der Sache von Vorteil sein könnte, ist aber für die Zukunft der EU ein verheerendes Signal; die Drohung mit dem Austritt könnte zur neuen Spielwiese für Populisten werden.
Juncker sagte gestern, „Klarstellungen und Interpretationen“seien denkbar. Nicht mehr und auch nicht weniger.