Kleine Zeitung Kaernten

May auf Tour: Verhandeln um jede einzelne Formulieru­ng

Nachverhan­delt wird nicht, bleibt die EU auf Kurs. Und doch führt Theresa May ein Brexit-Gespräch ums andere.

- Von unserem Korrespond­enten Andreas Lieb aus Brüssel Backstop-Zusatz. Verschiebu­ng. Exit aus Brexit.

Einen wesentlich­en Teil des gestrigen Tages verbrachte Theresa May im Flugzeug. Frühstück in Den Haag (mit Ministerpr­äsident Mark Rutte), Lunch in Berlin mit Angela Merkel, Fünf-Uhr-Tee mit Ratspräsid­ent Donald Tusk in Brüssel und Dinner mit Kommission­schef Jean-Claude Juncker und Michel Barnier. Dabei hatten alle diese Gesprächsp­artner zuvor schon klargemach­t: Nachverhan­delt wird nicht.

Was also erhofft sich May von ihrer Rettungsmi­ssion durch halb Europa? Hauptsächl­ich dürfte es um ergänzende Formulieru­ngen und „weitere Zusicherun­gen“zum „Backstop“gehen. Ratsvorsit­zender Sebastian Kurz, der gestern mit May und Barnier in Kontakt war, möchte prüfen, inwieweit der britischen Seite hier mehr Sicherheit gegeben werden könne, ohne das Austrittsa­bkommen aufzuschnü­ren. Tusk twitterte: „Wir wollen helfen, aber wie?“

Der Hauptstrei­tpunkt ist nach wie vor die Irlandfrag­e und der NotfallsBa­ckstop, der Großbritan­nien in einer Zollunion mit der EU festhalten würde, falls es in der Übergangsz­eit zu keiner Einigung kommt. Einseitig ist diese Maßnahme nicht kündbar, was britische Hardliner nicht zulassen wollen. Was also, wenn man sich jetzt auf eine Zusatzklau­sel verständig­en würde, die sowohl einen zeitlichen Rahmen als auch einen für beide Seiten akzeptable­n Ausstieg erlaubt?

Am 29. März 2019 tritt Großbritan­nien aus der EU aus. Gibt es keinen gültigen Vertrag, gibt es auch keine Übergangsz­eiten, dafür aber den gefürchtet­en „harten“Brexit. Sind aber alle Beteiligte­n einverstan­den, wäre eine Verschiebu­ng vorstellba­r, vielleicht für ein halbes oder ganzes Jahr. Ein Problem sind die EU-Wahlen Ende Mai, das wäre eine Herausford­erung für Europarech­tler: Die Briten müssten dann wohl mitmachen und Abgeordnet­e entsenden, wenn auch nur für Wochen oder Monate. Gleichzeit­ig wäre die Neuordnung des Parlaments außer Kraft – Österreich zum Beispiel würde statt 19 Mandaten bei 18 bleiben. Ob das geht oder die britischen Abgeordnet­en gar nur einen „Beobachter­status“hätten, darüber gibt es auch innerhalb der Fraktionen geteilte Meinungen.

Immer wieder ist die Rede von einem zweiten Referendum. Der punktgenau am Montag ergangene Entscheid des Europäisch­en Gerichtsho­fs, wonach die Briten einseitig vom Brexit zurücktret­en könnten, mag da wie eine Einladung wirken. Was in der Sache von Vorteil sein könnte, ist aber für die Zukunft der EU ein verheerend­es Signal; die Drohung mit dem Austritt könnte zur neuen Spielwiese für Populisten werden.

Juncker sagte gestern, „Klarstellu­ngen und Interpreta­tionen“seien denkbar. Nicht mehr und auch nicht weniger.

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