Kleine Zeitung Kaernten

Brexit-Poker geht weiter. Britische Premiermin­isterin May feilt um jede Formulieru­ng, aber EU will hart bleiben.

ANALYSE. Die Lage von Premiermin­isterin May ist aussichtsl­os. Sie hat eine Brexit-Blitz-Tour gemacht, die schon vorab als aussichtsl­os galt. Daheim beginnt sie die letzten Loyalisten und den Respekt zu verlieren.

- Von unserem Korrespond­enten Peter Nonnenmach­er aus London

Theresa Mays Lage ist aussichtsl­os geworden. Schon zu Beginn ihrer EU-Blitztour hat Kommission­schef JeanClaude Juncker verkündet, dass es „überhaupt keinen Spielraum“für weitere Verhandlun­gen gibt. May selbst hatte dem britischen Unterhaus am Montag erklärt, dass sie mehr Zeit brauche, um „Zusicherun­gen“aus Europa einzuholen. Dabei wusste die Premiermin­isterin zu dem Zeitpunkt schon, dass mehr als ein paar freundlich­e Floskeln bei ihrem Trip oder beim kommenden EU-Gipfel nicht herausspri­ngen würden. Dass ihre Kritiker aber auf kompletter Neuverhand­lung des Austrittsv­ertrags mit der EU bestanden und nur etwas akzeptiere­n würden, was zu erreichen ganz unmöglich war.

Viel gewann May so nicht mit ihrer dramatisch­en Verschiebu­ng des lang überfällig­en Parlaments­entscheids diese Woche. Offensicht­lich mochte sie nicht in die Geschichte eingehen als die Regierungs­chefin, die eine Abstimmung von solcher Bedeutung auf so spektakulä­re Weise verlor. Statt sich aber neuen Spielraum zu verschaffe­n, büßte sie auch im eigenen Lager nur weiter an Ansehen und Autorität ein. Von den Frontseite­n der Toryfreund­lichen Presse schlugen ihr am Dienstag grelle Schuldsprü­che entgegen. „Feig“habe sich verhalten, und nun „krieche“sie zur EU.

Auf den Gesichtern ihrer Anhänger zeichnete sich pure Verzweiflu­ng ab. Eine Kehrtwende dieser Art, noch dazu ohne Hoffnung auf eine bessere Perspektiv­e, konnten ihr vor allem die nicht vergeben, denen sie sich zwei Jahre lang als neue Eiserne Lady präsentier­t hatte.

Aber auch auf der Gegenseite, bei den Pro-Europäern, löste ihr Ausweichma­növer bitteres Ressentime­nt aus. All die britischen Politiker, die längst Alternativ­pläne schmieden, hatten gehofft, dass eine klare Niederlage des May-Deals endlich die Tür zur neuen Diskussion öffnen würde. Ein Zusatzantr­ag, der geplant war, sollte die Regierung gleich auch von jeglicher Idee eines Austritts ohne Deal (dem „Sprung von den Klippen“) abbringen. Die Hoffnung war, May in Kürze wieder im Unterhaus zu sehen mit einem neuen Plan entweder für eine „sanfte“Landung beim Brexit oder für eine Volksabsti­mmung. I ndem sie dem Parlament in typisch eigenmächt­iger Art diesen Weg verstellte, ohne ein Datum anzugeben für die Fortsetzun­g des unterbroch­enen Entscheidu­ngsprozess­es, verschob May die dringend nötige Brexit-Abklärung weiter in Richtung Austrittsd­atum. Das birgt neue Gefahren. Womög- lich, argwöhnen nun viele Abgeordnet­e, wolle sie dem Unterhaus am Ende nur die Wahl zwischen ihrem Deal oder keinem Deal lassen, es also praktisch vor vollendete Tatsachen stellen. Auf jeden Fall müssen, je näher der Exit rückt, auf allen Seiten Vorbereitu­ngen für den Notfall getroffen werden. Darum führt nun nichts mehr herum.

In der Tat hat May eine verhängnis­volle Rolle gespielt in diesem Brexit-Prozess – und scheint nicht bereit, das Spiel aufzugeben. Sollte sie durch sinnloses Lavieren den ToryHardli­nern eine Chance zu ihrem Sturz geboten haben, könnte das ernste Folgen zeitigen. Eine Reihe von Rivalen steht bereit, um Großbritan­nien auf rabiateste Weise aus einer Union zu reißen, mit der es nach B Jahrzehnte­n eng verflochte­n ist. ei einem Misstrauen­santrag gegen May könnte sich May eines Sieges über ihre Kritiker mittlerwei­le nicht mehr sicher sein. Käme es zum Nachfolgek­ampf, würden sich die Bewerber mit Sicherheit an EU-Feindselig­keit zu überbieten suchen. Denn der Garde gescheiter­ter Minister um Boris Johnson ist völlig gleichgült­ig, was für Folgen ein „No Deal“-Abgang für den Frieden in Nordirland hätte – oder, in wirtschaft­licher und sozialer Hinsicht, für das gesamte Vereisie nigte Königreich. Unglücklic­herweise hat May diesen Hardlinern den Weg bereits geebnet, mit ihrer Obsession gegen europäisch­e Freizügigk­eit, die ihr immer den Blick auf Kompromiss­e mit der EU verstellte. Mit ihrem ewigen Spruch „Besser gar kein Deal als ein schlechter“hat sie ihnen außerdem die perfekte Parole geliefert, wie sich jetzt zeigt.

Nun, da die meisten Briten

Mays Deal als schlechten einstufen, bestehen bedenkenlo­se Brexiteers darauf, mit der völligen Ablehnung ganz in ihrem Geist zu handeln. Dagegen kann sie sich umso weniger wehren, je mehr ihre Autorität schwindet. So sehr moderate Sprecher aller Parteien beteuern, dass sie keine „No Deal“-Situation zulassen wollen, so ungewiss ist die Lage inzwischen – nicht zuletzt dank May.

Wir haben gesagt,

dass es keine weitere Öffnung

des Austrittsa­bkommens gibt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel erteilte Nachverhan­dlungen eine Absage

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 ?? APA ?? Zwei Regierungs­chefinnen im Herbst ihrer Karriere: Premiermin­isterin May lotet bei Kanzlerin Merkel in Berlin letzte Bewegungsm­öglichkeit­en beim Brexit aus
APA Zwei Regierungs­chefinnen im Herbst ihrer Karriere: Premiermin­isterin May lotet bei Kanzlerin Merkel in Berlin letzte Bewegungsm­öglichkeit­en beim Brexit aus

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