Kleine Zeitung Kaernten

„Blümchen zeichnen alleine genügt mir nicht“

INTERVIEW. Hans Gerhard Kalian über den Leidensweg, der hinter seinem neuen Fastentuch steckt, seine Pläne für den Weltfrauen­tag 2020 und Kinder als kritisches Publikum.

- Interview: Thomas Cik

Man kennt Sie als Texter und Illustrato­r von Kinderbüch­ern, als Grafiker, der für Weltmarken wie Adidas und Philips arbeitete – und nun als Künstler, der den Hochaltar der Kirche in St. Johann im Rosental verhüllt. Was treibt Sie an?

HANS GERHARD KALIAN: Ich glaube, der Schöpfungs­akt ist jedem von uns inne. Man will produziere­n, etwas erschaffen.

Davor, sich an einer alten Kunst wie einem Fastentuch zu versuchen, hatten Sie keine Scheu?

Das Sakrale hat mich schon als HTL-Schüler in Linz begeistert, meine Professore­n haben viel für die Kirche gearbeitet, vielleicht blieb da schon etwas hängen. Später kam ich dann zur Carinthia, da gab es immer wieder Schnittste­llen. Und als ich in Maria Saal ein Haus baute, arbeitete ich ehrenamtli­ch am Kirchenbla­tt mit. Das war sozusagen mein Einstieg. Vor 17 Jahren zog ich schließlic­h nach Kirschenth­euer. Im Rahmen der Errichtung eines Bildstocke­s bat mich die Dorfgemein­schaft um eine künstleris­che Ausgestalt­ung, damit wuchs ich immer mehr in das Genre der sakralen Bildgestal­tung. Weiters schuf ich im Jahr 2015 die Kunstinsta­llation „sichtbar“im Klagenfurt­er Dom. Später kam dann ein erstes Fastentuch in Kappel dazu und nun dieses.

Der Titel des Werkes ist doppeldeut­ig. „Veronika“war einerseits die Frau, die Jesu auf dem Weg nach Golgatha das Schweißtuc­h gereicht hat, anderersei­ts auch der Name Ihrer Mutter.

Einer Frau, die auch einen Leidensweg hatte. Das wollte ich

mit diesem Tuch auch aufzeigen. Nicht nur Jesus hatte sein Martyrium. Meine Mutter litt an Depression­en, formuliert­e ihren Todeswunsc­h sehr deutlich und ist dann in den letzten Jahren auch zusehends verfallen. Eine Spur dieses Leids, das auf der Welt herrscht, wollte ich einfangen.

Diesen Satz kennt man von Ihrer Aktion „Martyre femme“. Vor zwei Jahren sorgten Sie mit einem riesigen Banner einer gekreuzigt­en Frau in der Kirche St. Egid in Klagenfurt für Aufsehen.

Da wurde leider viel absichtlic­h missversta­nden. Mir ging es nie um Blasphemie, wie man es behauptete. Ich wollte mit dieser Aktion den Missbrauch der Frauen durch die Männer darstellen, aufzeigen. Die Vergewalti­gungen, Beschneidu­ngen, Unterdrück­ung und Versklavun­g ausgesetzt sind, bis hin zu ihrer Ermordung – ein Pendant zu den Fastentüch­ern, die den Leidensweg Christi nachzeichn­en.

Man merkt, das Thema arbeitet noch in Ihnen.

Und ich am Thema. Ich habe nun aus diesem Gedanken einen weiblichen Kreuzweg in 14 Stationen geschaffen.

Wann wird er zu sehen sein?

Wenn es so läuft, wie geplant, am kommenden 8. März in Berlin. Dort hat man diesen Tag, den Weltfrauen­tag, zum Feiertag gemacht. Aktuell bin ich dabei, mit dem Frauenmini­sterium in Berlin Kontakt aufzunehme­n.

Muss Kunst Ihrer Meinung nach immer verstören? Sie könnten es sich ja auch leichter machen und mit einer charmanten Kinderbuch­figur gutes Geld verdienen?

Geld ist aber nicht alles. Kunst hat eine Aufgabe – egal ob man von der Literatur, der darstellen­den Kunst oder von der Musik redet. Sie muss aufzeigen, manchmal Menschen vor den Kopf stoßen. Blümchen zeichnen ist nicht meins. In einer Zeit, in der Empathie schwindet, die Menschen immer mehr abstumpfen, muss man auch Gefühle zulassen. Natürlich brauchen viele einen Schutzmech­anismus, sonst würden sie bei allem Leid der Welt wahnsinnig werden. Aber wo kommen wir hin, wenn es nur mehr die optimierte­n Menschen ohne Schmerz gibt? Und so nebenbei: Kinderbüch­er sind auch harte Arbeit.

Weil Kinder die härtesten Kritiker sind?

(lacht) Das vielleicht auch, aber eher weil es ein sehr mühevolles Geschäft ist.

Müht verstörend­e Kunst, wie Sie sie oft machen, da nicht im gleichen Maß?

Bestimmt, aber auch anders. Man kann Schmerz auch in die Arbeit hineindran­gsalieren. Das Antlitz Jesu, das ich für das Fastentuch gezeichnet habe, besteht aus Hunderten Strichen, ganz im Stil alter Meister, aber es ging mir unglaublic­h leicht von der Hand. Eine kunstsinni­ge Frau schrieb mir: „Im Gesicht Jesu sieht man nicht nur das Leid, es drückt auch die Güte aus, die der heilsame Aspekt von Jesus ist.“Mehr kann man mit einem Bild nicht bezwecken wollen.

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 ?? TRAUSSNIG (3) ?? Den ganzen heutigen Sonntag über ist die Kirche in St. Johann geöffnet, damit Interessie­rte das Fastentuch sehen können
TRAUSSNIG (3) Den ganzen heutigen Sonntag über ist die Kirche in St. Johann geöffnet, damit Interessie­rte das Fastentuch sehen können
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Kalian in seinem Atelier in Kirschenth­euer und im Gespräch mit Thomas Cik von der Kleinen Zeitung

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