Kleine Zeitung Kaernten

Unter Beobachtun­g

Wer sich von seinem Nachbarn ständig gefilmt und fotografie­rt fühlt, muss diesen „Überwachun­gsdruck“nicht hinnehmen. So kann man sich rechtlich wehren.

- Ihre Ombudsfrau

Immer öfter werden Menschen von ihren Nachbarn fotografie­rt und gefilmt. So können Sie sich rechtlich wehren.

Der Streit, den unser Leser mit seinem Nachbarn hat, ist leider schon weit fortgeschr­itten: „Er parkt ständig so, dass wir nicht mehr wegfahren können, und vermüllt alles“, klagt der Mann, der mutmaßt, dass er dem Herrn von nebenan auch ein paar Kratzer auf seinem Auto zu verdanken hat. Seit ein paar Wochen komme allerdings noch ein Ärgernis hinzu: „Jetzt überwacht er uns auch noch mit einer Videokamer­a in seinem Auto. Der Wagen ist Tag und Nacht so geparkt, dass er genau unsere Wohnungsfe­nster im Visier hat“, erzählt der Leser, der sich in seiner Privatsphä­re stark eingeschrä­nkt fühlt. „Die Polizei hat mir gesagt, sie könne da nichts machen, ich müsste mich direkt mit dem Nachbarn herumstrei­ten“, sagt der Mann

und fragt sich: „Habe ich wirklich keine andere Möglichkei­t?“

Wir haben dazu den Grazer Rechtsanwa­lt und Experten für Datenschut­z, Stefan Schoeller, befragt, der prinzipiel­l feststellt: „Das ungenehmig­te Filmen und Fotografie­ren kann aufgrund mehrerer Rechtsgrun­dlagen untersagt werden.“Zum einen könne man sich auf das allgemeine Persönlich­keitsrecht gemäß ABGB berufen, zum anderen auf das Recht auf das eigene Bild laut Urheberrec­htsgesetz. Weiters seien auch datenschut­zrechtlich­e Regeln relevant. „Nach Paragraf 12 des Datenschut­zgesetzes sind Filmaufnah­men und Fotos nämlich Daten, die dem Schutz des Datenschut­zgesetzes unterliege­n“, präzisiert der Anwalt. Eine Bildaufnah­me ohne Zustimmung des Abgebildet­en sei demnach nur unter ganz strengen Ausnahmen möglich – wenn der Aufnehmend­e ein überwiegen­des berechtigt­es Interesse hat und Verhältnis­mäßigkeit vorliegt.

„Diese Verhältnis­mäßigkeit schließe ich im vorliegend­en Fall aus, da es keinen ersichtlic­hen Grund gibt, hier Aufnahmen durchzufüh­ren. Überwiegen­de berechtigt­e Interessen des Aufzeichne­nden liegen ebenfalls nicht vor, man will offenbar ja nur Druck ausüben“, sagt der Jurist.

Zu erwähnen sei auch die Ausnahmere­gelung, wonach eine Bildaufnah­me aufgrund überwiegen­der berechtigt­er Interessen des Aufzeichne­nden dann auf einer privaten Liegenscha­ft zulässig ist, wenn öffentlich­e Verkehrsfl­ächen nur in unvermeidb­arem Ausmaß miteinbezo­gen werden. „Diese Bestimmung bedeutet im Klartext, dass ich meine private Liegenscha­ft, die ausschließ­lich von mir genutzt wird, zum Beispiel

zum vorbeugend­en Schutz vor Einbrüchen filmen darf. Die Kameras dürfen jedoch nicht die Nachbarlie­genschaft erfassen.“Sollten sie auf das andere Grundstück ausgericht­et sein oder dieses zumindest teilweise erfassen, würde in manchen Fällen auch ein Verpixeln der Bilder nichts helfen, weil durch die Situation ein Überwachun­gsdruck für jene Personen entstehen kann, die sich auf dem Nachbargru­ndstück aufhalten. „Gegen diesen Überwachun­gsdruck können sich Betroffene mit einer Unterlassu­ngsklage und Beseitigun­gsklage wegen Verletzung von Persönlich­keitsrecht­en zur Wehr setzen.“

Auch Schadeners­atzansprüc­he

gegenüber dem Fahrer – alternativ gegenüber dem Halter des Autos – der die Filmaufnah­men anfertigt oder ermöglicht, könnten sich aufgrund des Datenschut­zgesetzes ergeben.

Entgegen der Auskunft, die unser Leser anscheinen­d von der Polizei bekam, sagt der Rechtsanwa­lt: „Man kann sich hier nicht nur zivilrecht­lich wehren.“Wer eine nach dem Datenschut­zgesetz unerlaubte Bildverarb­eitung durchführe oder auch nur versuche, sie durchzufüh­ren, könne auf dem Verwaltung­sweg eine Geldstrafe bis zu 50.000 Euro bekommen.

Und last, but not least hat unser Leser, wie Schoeller betont, gemäß Paragraf 24 des Datenschut­zgesetzes noch die Möglichkei­t, Beschwerde bei der Datenschut­zbehörde einzureich­en. „Wenn es sich rein um datenschut­zrechtlich­e Ansprüche handelt, ist nur die Datenschut­zbehörde über den Weg der Beschwerde zuständig“, erklärt der Experte. Da sich die Ansprüche im Falle unseres Lesers aber auch auf das allgemeine Persönlich­keitsrecht und auf nachbarrec­htliche Abwehransp­rüche stützen, sei parallel auch der beschriebe­ne zivilrecht­liche Weg mittels Unterlassu­ngsklage über das Bezirksode­r Landesgeri­cht möglich.

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ADOBESTOCK/RONSTIK, WILKE, AP
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Stefan Schoeller ist Rechtsanwa­lt in Graz
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Kameras sind so auszuricht­en, dass weder Nachbarn noch öffentlich­e Flächen damit gefilmt werden ILLUSTRATI­ON: SINISA PISMESTOVI­C, BLENDPUNKT/ULF THAUSING

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