Kleine Zeitung Kaernten

Erst wenn nichts mehr geht

Ob Datenskand­ale oder die Rolle bei Wahlen: Regelmäßig ist Facebook in den Schlagzeil­en. Den gestrigen Störfall können wir nutzen, um unser digitales Ich zu hinterfrag­en.

- David Knes david.knes@kleinezeit­ung.at

Wären die Zuckerberg’schen Netzwerke ein Land und deren Nutzer seine Einwohner – China, Indien, Brasilien oder die USA könnten einpacken. Mit 2,7 Milliarden Bewohnern würde die Supernatio­n (bestehend aus Facebook, Instagram und WhatsApp) etwa ein Drittel der Weltbevölk­erung ausmachen. Sie hätte einen ständigen Sitz im UN-Sicherheit­srat, wäre tonangeben­d in der Weltwirtsc­haft und wohl auch die größte Militärmac­ht. Wie es um die Steuern oder Grundrecht­e in diesem Staat stünde, soll hier nicht weiter erörtert werden.

Zu Recht ist der FacebookKo­nzern ständig in den Schlagzeil­en. Es geht um Datenskand­ale, Diskussion­en um die Privatsphä­re, Steuerverm­eidung oder der starke Einfluss auf politische Systeme und Wahlen. Doch nichts von all dem führt uns so klar vor Augen, wie viel Macht wir dem Online-Riesen geben, wie das plötzliche Fehlen seiner Dienste.

Erst wenn nichts mehr geht, haben wir die Chance, zu begreifen, wie abhängig wir uns gemacht haben. Und zwar freiwillig, weil die Services halt doch

sehr nützlich sind. Auch wenn es wenige zugeben wollen, die Annehmlich­keiten, die wir kostenlos (im Sinne von kein Geld dafür bezahlen) in Anspruch nehmen, sind einfach praktisch: Wir werden an Geburtstag­e erinnert, schicken unseren Liebsten Schnappsch­üsse aus dem Urlaub, wissen, welche Bands bald in der Nähe auftreten und erfahren in den Insta-Stories, was unsere Freunde gerade so treiben.

In der Familiengr­uppe auf WhatsApp bekommt man ein bisschen Heimat mit und, seien wir uns ehrlich – wir freuen uns auch über das eine oder andere Like auf unserem Profil. Auch wenn viele die Authentizi­tät der Onlinewelt – teilweise zu Recht – kritisiere­n, die Kommunikat­ion ist niederschw­elliger geworden, und zumindest dieser Aspekt ist gut.

Doch all diese Annehmlich­keiten sollten uns auch zu denken geben. Der gestrige SocialMedi­a-Ausfall war die perfekte Gelegenhei­t dazu. Gelegenhei­t, ein paar Fragen zu stellen: Wollen wir wirklich unser OnlineIch einem einzigen Konzern überlassen, obwohl es genügend Alternativ­en gibt?

Ein erfahrener Broker würde die Hände über dem Kopf zusammensc­hlagen, wenn er hören würde, man setze alles auf eine einzige Aktie. Stichwort Diversifik­ation, also Streuung von Risiko. Auch wenn es zu bezweifeln ist, dass ein Konzern wie Facebook inhärent böse Absichten hat, kann es nicht sinnvoll sein, sich ihm völlig auszuliefe­rn.

Finden Sie es in Ordnung, dass ein undurchsch­aubarer Algorithmu­s bestimmt, welche Nachrichte­n Sie sehen (Stichwort Filterblas­e)? Ist es okay, dass selbst Kleinbetri­ebe teilweise nicht ohne eine dem Algorithmu­s vorauseile­nde SocialMedi­a-Strategie auskommen? Auch Zeitungen können nicht mehr auf Instagram, Facebook und WhatsApp verzichten.

Doch wie es bei Abhängigke­iten nun mal so ist, man gerät leichter in sie herein, als sie wieder loszuwerde­n.

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