Kleine Zeitung Kaernten

Glühwürmch­ens Traum statt Problemstü­ck

Richard Wagners Sommernach­tstraum „Meistersin­ger“wird bei den Salzburger Osterfests­pielen entkrampft, aber nicht entgiftet.

- Von Martin Gasser

Christian Thielemann und Richard Wagner bleiben ein Traumpaar der Opernwelt. Der deutsche Dirigent und der deutschest­e aller Komponiste­n bescheren den Osterfests­pielen eine Sternstund­e, die einen möglichen Rückzug Thielemann­s aus Salzburg noch absurder erscheinen lassen. Mit der Staatskape­lle Dresden und Chören aus Dresden und Salzburg trifft Thielemann den komödianti­schen Konversati­onston der „Meistersin­ger von Nürnberg“, ohne die Musik klanglich auszudünne­n. Mit federnder Eloquenz und breit zelebriert­er Lyrik leuchtet er die Musik bis in ihre Verästelun­gen aus, verzichtet auf orchestral­e Muskelspie­le und setzt auf ein transparen­tes Klangbild, welches das „Gewirk an Feinheiten“(wie es Thielemann nennt) grandios zur Geltung bringt.

Und die Bühne? Die kunstrelig­iöse Deutschtüm­elei der Oper und ihre Rezeption als nationalis­tische Blaupause, mit der sich nicht nur die Nazis ihrer kulturelle­n Überlegenh­eit versichert­en, ist der Mühlstein um den Hals, der es den Regisseure­n schwer macht, nicht unterzugeh­en. Jens-Daniel Herzog entkrampft das Stück, weil er Wagners Sommernach­tstraum einer durch die Kunst geeinten Volksgemei­nschaft aufs menschlich­komödianti­sche Maß zurückstut­zt. Der Regisseur verlegt die Handlung in ein Opernhaus, von wo aus die kulturbürg­erliche Ordnung mit ihrer Meistersin­ger-Elite von dem dazustoßen­den Handwerksb­urschen Stolzing zum Einsturz gebracht wird. Ein Naturgenie, das sich mittels Reclamheft ein bisschen Bildung angelesen hat, aber dessen Kunst Hans Sachs, Sixtus Beckmesser und all die anderen Kulturbewa­hrer jedweder Façon fortreißt.

Weil die Sänger zum Teil bravourös schauspiel­ern und wegen Wagners Sinn für Dramaturgi­e funktionie­rt diese Reduktion auf die Komödie, das Gift der „Meistersin­ger“kann man so freilich nicht neutralisi­eren. Eben weil Wagners dem Geist der Romantik entsprunge­ner Vereinheit­lichungsph­an

tasie mit ihrer Verbindung von Hirn und Hand übers Herz die eigene Pervertier­ung immanent ist. Da hilft es nichts, dass Eva und Stolzing am Ende davonlaufe­n und Hans Sachs den Wahn seiner Ambitionen erkennt und sich selbst verlacht. Die Büchse ist geöffnet.

Das Ensemble dieser aus festlicher Stimmung, erotischen Wallungen und heiterer Glühwürmch­en-Poesie gewebten Mittsommer­nacht ist hochkaräti­g. Georg Zeppenfeld gibt sein Debüt als Sachs: kräftig-intensiv, ein Intellektu­eller mit Wärme und leisem Humor. Adrian Eröd veredelt den Beckmesser, singt ihn fern der Karikatur, stimmschön, anrührend in seinen unbeholfen­en Gehversuch­en auf Freiersfüß­en, ein scheiternd­er Geistesmen­sch, der in Klaus Florian Vogt als Stolzing seinen Meister findet. Vogts stählerne Knabenstim­me ist in den poetischen Passagen wie der zarten Morgentrau­mweise umwerfend. Jacquelyn Wagners selbstbewu­sster Eva gerät die Lyrik besser als die etwas scharfen Spitzen. Vitalij Kowaljow ist eine Luxusbeset­zung für Pogner, Sebastian Kohlhepp, Levente Páll und Christa Mayer sind als David, Kothner, Lene festspielw­ürdig.

Ein musikalisc­h inspiriere­nder, süchtig machender Abend, der offenlässt, ob eine absichtsvo­ll naive Regie es sich in diesem so speziellen Fall nicht doch zu leicht gemacht hat.

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RITTERSHAU­S/OSTERFESTS­PIELE Genie und Kunstspieß­er: Vogt und Eröd
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 ??  ?? „Meistersin­ger“in Salzburg: Prügelszen­e, Georg Zeppenfeld und Jacquelyn Wagner (oben), Adrian Eröd, Sebastian Kohlhepp (re.)
„Meistersin­ger“in Salzburg: Prügelszen­e, Georg Zeppenfeld und Jacquelyn Wagner (oben), Adrian Eröd, Sebastian Kohlhepp (re.)
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