Ex-VW-Chef Martin Winterkorn wird im Dieselskandal angeklagt. Ihm wird schwerer Betrug vorgeworfen.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig wirft Martin Winterkorn in ihrer fast 700-seitigen Anklageschrift u. a. schweren Betrug vor.
Schwerer Betrug.“Das sitzt – und ist längst noch nicht alles, was die Staatsanwaltschaft Braunschweig Ex-Volkswagen-Boss Martin Winterkorn und vier weiteren früheren Managern vorwirft. Seit gestern liegt die – noch nicht rechtskräftige – Anklage der Ermittlungsbehörde im Dieselskandal auf dem Tisch. Winterkorn, der nach Bekanntwerden der millionenfachen Dieselmanipulation durch die US-Umweltbehörde im September 2015 zurückgetreten war, werfen die Ermittler Betrug „in einem besonders schweren Fall“sowie unlauteren Wettbewerb und Untreue vor. Die Staatsanwaltschaft legt sich in der Kernfrage, nämlich wann Winterkorn vom Betrug zum ersten Mal erfahren hat, klar fest: Winterkorn habe es seit Mai 2014, also rund 16 Monate vor dem öffentlichen Auffliegen des Skandals, unterlassen, „die rechtswidrigen Manipulationen an Dieselmotoren den zuständigen Behörden in
Europa und den USA offenzulegen und den weiteren Einbau der Abschalteinrichtungen zu untersagen“. Zudem habe der Konzern mit Wissen und Billigung auch von Winterkorn im November 2014 ein Softwareupdate erlassen, um den wahren Grund für die erhöhten Stickoxidwerte der Fahrzeuge zu verschleiern.
Daneben wirft die Anklagebehörde den Führungskräften teilweise auch Untreue, Steuerhinterziehung sowie mittelbare Falschbeurkundung vor. Der Tatzeitraum erstrecke sich vom 15. November 2006 bis zum 22. September 2015. Die Beschuldigten hätten die Existenz einer illegalen Abschalteinrichtung, die die Emissionswerte von Dieselautos auf dem Prüfstand verringerte, bewusst verschwiegen, so die Staatsanwaltschaft.
Die Namen der anderen Führungskräfte nannte die Staatsanwaltschaft nicht und verwies dazu auf die Unschuldsvermutung, die für alle Beschuldigten gelte. Zuletzt hatte die Staatsanwaltschaft in Braunschweig gegen 42 Beschuldigte wegen der Manipulation von StickoxidEmissionen ermittelt. Die Anklagen gegen die fünf Beschuldigten sei ein Teilabschluss der Ermittlungen, teilte die Behörde mit, weitere Anklagen können also folgen.
Felix Dörr, Winterkorns Anwalt, kritisierte in der „Süddeutschen Zeitung“das Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Man habe Winterkorn nicht die Gelegenheit gegeben, „alle Akten des Verfahrens zur Kenntnis zu nehmen“und sich zu ihnen zu äußern. Die Anklagebehörde habe der Verteidigung zuletzt am 5. April sieben DVDs mit rund 300 Ordnern Material zugesandt. Der Bitte, das Material durchsehen und eine schriftliche Stellungnahme abgeben zu können, sei nicht entsprochen worden. „Die Verteidigung wird sich auf
diese ‚Gangart‘ der Staatsanwaltschaft einstellen“, heißt es in der Erklärung des Anwalts. VW lehnte eine Stellungnahme mit der Begründung ab, der Konzern sei nicht Teil des Verfahrens. Weitere Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Braunschweig, teils mit identischen Beschuldigten, befassen sich mit dem Verdacht der Schönung von CO2-Werten, der Datenlöschung und der Marktmanipulation.