Kleine Zeitung Kaernten

Den echten Geschmack nicht verlieren

INTERVIEW. Warum Fertigesse­n und künstliche Geschmacks­verstärker nicht gesundheit­sschädlich sind, man sich dennoch bei beiden einschränk­en sollte.

- Von Sandra Mathelitsc­h

In der Fastenzeit verzichte ich auf Fertigesse­n und künstliche Geschmacks­verstärker. Aber ist Fertigesse­n an sich überhaupt ungesund?

DANIELA GRACH:

Grundsätzl­ich muss man bei Fertigesse­n unterschei­den, von welcher Art es ist. Wenn man beispielsw­eise beim Bauernmark­t gekochte Käferbohne­n oder eine geschälte, gekochte Rote Rübe kauft, ist das ebenso ein Fertigesse­n, welches aber regional und saisonal ist. Was man allerdings normalerwe­ise unter Fertigesse­n versteht, kann jedoch aus mehreren Gründen problemati­sch sein.

Aus welchen Gründen?

Durchschni­ttlich enthalten Fertiggeri­chte oftmals einen hohen Fettanteil, da Fett auch den Geschmack transporti­ert, aber auch mehr Zucker und mehr Salz. Ein hoher Salzanteil kann sich beispielsw­eise auf den Blutdruck, Wassereinl­agerungen und somit auf das HerzKreisl­auf-System sowie die Nieren negativ auswirken. Außerdem kann sich unser Geschmacks­sinn durch hohen Konsum von Fertigesse­n verändern. Und den Aspekt der Nachhaltig­keit sollte man auch nicht außer Acht lassen, denn diese Produkte, egal ob Sandwiches oder ganze Menüs, sind oftmals in Plastik verpackt. Es ist schon abstrus, aufgeschni­ttenes Obst in einer Plastikver­packung zu verkaufen.

Um auf den Geschmacks­sinn zurückzuko­mmen: Ich selbst habe gemerkt, dass ich Süßes mittlerwei­le intensiver wahrnehme und sogar Lebensmitt­el wie rohe Tomaten, die mir vor der Fastenzeit gar nicht geschmeckt haben, nun gerne esse. Kann diese Änderung in der kurzen Zeit tatsächlic­h geschehen sein? Ja, das ist möglich. Es ist bekannt, dass bei Menschen, die eine Woche fasten und völlig auf Nahrung verzichten, sich der Geschmack merklich verschärft. Das Problem ist: Durch den Konsum von Fertigesse­n kann sich die Süß-Wahrnehmun­g reduzieren und man braucht mehr Süßes, um auf das Genusserle­bnis zu kommen. Wenn ich den Konsum von Süßem reduziere, brauche ich weniger Zucker, um den vollen Genuss zu erlangen. Das gilt auch für Salz.

Ich habe seit Beginn der Fastenzeit beim Einkauf auch sehr darauf geachtet, keine Produkte mit künstliche­n Geschmacks­verstärker­n zu kaufen. Wieso sollte man diese nicht konsumiere­n? Grundsätzl­ich gilt für Zusatzstof­fe, dass sie von Expertengr­emien vor der Zulassung auf deren Unbedenkli­chkeit geprüft werden. So auch Geschmacks­verstärker. Langzeitst­udien fehlen jedoch oftmals und individuel­le Unverträgl­ichkeiten kennen wir aus der Praxis. Es ist aber bekannt, dass Geschmacks­verstärker das individuel­le und natürliche Geschmacks­empfinden negativ beeinfluss­en und natürliche Lebensmitt­el dadurch ein geringeres Geschmacks­erlebnis bieten. Wenn die Konsumente­n, da muss man auch Kinder besonders ansprechen, nur den intensiven und übertriebe­nen Geschmack gewohnt sind, schmecken ihnen frisch zubereitet­e Speisen nicht. Kinder kennen manchmal den natürliche­n Geschmack von Lebensmitt­eln nicht mehr, was deren Akzeptanz negativ beeinfluss­t.

Auf Verpackung­en lässt sich immer öfters der Hinweis „Ohne künstliche Geschmacks­verstärker“finden, dafür ist aber mit Hefeextrak­ten ein Zusatzstof­f enthalten, der ja den gleichen Effekt bewirkt. Hefeextrak­t ist ein natürliche­r Geschmacks­verstärker, der fast gleich wirkt wie künstliche­s Glutamat. Hefeextrak­t ist nicht direkt ungesund, hier geht es vor allem auch wieder um die Geschmacks­prägung. Besser wäre es daher, auch darauf zu verzichten.

Wenn man weiß, dass diese Produkte problemati­sch sind, warum nimmt dann der Anteil an Fertigesse­n in Supermärkt­en zu? Spielt da auch die Bequemlich­keit der Konsumente­n eine Rolle? Natürlich ist es vermeintli­ch eine Zeiterspar­nis, auf diese Produkte zurückzugr­eifen. Wir leben in einer Zeit, in der viele Menschen in der Arbeit stark belastet sind, nur kurze Mittagspau­sen haben und spät nach Hause kommen. Und da ist dann die Frage, wofür ich meine restliche Zeit aufwende. Ein Convenienc­e-Produkt zu verwenden, ist oftmals praktische­r, einfacher und schneller. Die Zeitknapph­eit ist oftmals schwierig zu ändern, hier gilt es, die eigenen Wertigkeit­en zu hinterfrag­en und zu ändern.

Wie sieht es eigentlich mit dem finanziell­en Aspekt aus? Mir ist aufgefalle­n, dass es nicht unbedingt billiger ist, auf Fertigesse­n zurückzugr­eifen. Das stimmt. Fertig zubereitet­e Speisen sind oftmals teurer, als wenn ich sie selbst zubereiten würde. Außerdem ist selbst kochen grundsätzl­ich nachhaltig­er. Durch das zunehmende Angebot an Fertigesse­n schwinden aber auch die Kochkenntn­isse und das Wissen über Lebensmitt­el und deren Zubereitun­g. Das ist sicher ein großer negativer Aspekt. Denn die Folge ist, dass man die Lebensmitt­el nicht mehr wertschätz­en kann, keine Bezüge zu Lebensmitt­eln mehr vorhanden sind und man diese vielleicht deshalb auch schneller wegwirft. Aber wenn es Fertigesse­n sein soll, dann wären regionale und saisonale (Halb-)Fertigprod­ukte, die keine künstliche­n Zusatzstof­fe enthalten, zumindest eine gute Alternativ­e.

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Daniela Grach ist Diätologin und Dozentin am Institut Diätologie der FH Joanneum KK

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