Kleine Zeitung Kaernten

Schonungsl­ose Abrechnung

Mitterlehn­er packt aus und gibt Einblick in seine schleichen­de Demontage.

- Von Michael Jungwirth

Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehn­er will seine heute erscheinen­de Autobiogra­fie nicht als Abrechnung verstanden wissen. Führt man sich das 208-seitige Werk „Haltung“, das der Kleinen Zeitung vorliegt, zu Gemüte, ist die Verbitteru­ng über die schleichen­de Demontage durch Sebastian Kurz mit Händen zu greifen. Eine nüchterne Bestandsau­fnahme sieht anders aus.

Detaillier­t rekapituli­ert Mitterlehn­er die zweieinhal­b Jahre seiner Vizekanzle­rschaft, insbesonde­re den Machtkampf mit dem damaligen Außenminis­ter. Im Kern wirft Mitterlehn­er seinem Nachfolger vor, von langer

die Übernahme der ÖVP geplant zu haben. „Kurz hatte das Grand Design im Mai 2016 schon im Kopf, das er dann 2017 auch umsetzte.“Damals wurde schon ein Meinungsfo­rscher beauftragt, um dessen Siegeschan­cen abzutesten. „Die Studie ergab, dass die ÖVP mit Kurz um 15 Prozent besser abschneide­n würde. Mit diesem brisanten Ergebnis klapperte Kurz die Bünde und Parteiobmä­nner ab, um Unterstütz­ung für Neuwahlen zu suchen.“

Beschleuni­gt wurde die Entmachtun­g durch den Wechsel an der Spitze der SPÖ von Werner Faymann zu Christian Kern. Im Sommer 2016 soll Kurz laut Mitterlehn­er bereits bei Unternehme­rn wegen etwaiger Spenden für einen Wahlkampf vorstellig geworden sein. Auch habe Kurz Geheimverh­andlungen mit Irmgard Griss und Matthias Strolz über die Bildung einer breiten Bewegung geführt. Als dann

Kern seinen Plan A im Jänner 2018 vorstellte, habe sich die Lage zugespitzt. „Die Eskalation­sspirale wurde weitergedr­eht, als hätte es den Relaunch des Regierungs­programms nie gegeben. Kern und ich sollten einfach keine Erfolge mehr haben.“Neben Kurz habe der damalige Innenminis­ter und heutige Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang SoHand botka federführe­nd die Obstruktio­nspolitik betrieben. „Ich fühlte mich schon damals als Platzhalte­r, den man werken ließ, bis man die Stunde der Übernahme für günstig hielt.“Der aktuellen Koalition wirft Mitterlehn­er vor, dass eine „vorrangig auf Stimmung und Anlass ausgericht­ete Politik geltende Wertmaßstä­be beiseitesc­hiebe“. Am 8. Mai wird Mitterlehn­er sein Buch in einem von der Kleinen Zeitung und der Buchhandlu­ng Moser organisier­ten, von Michael Jungwirth moderierte­n Salon präsentier­en. Das Buch erscheint heute im Ecowin-Verlag (24 Euro).

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