Kleine Zeitung Kaernten

Antwort auf Alibaba und Amazon

Bewaffnete Sicherheit­skräfte schützen Anexia-Rechenzent­ren: „Es herrscht ein Technikund Wirtschaft­skrieg im Internet“, sagt Anexia-Eigentümer Alexander Windbichle­r.

- Von Uwe Sommersgut­er

Vor ziemlich genau zehn Jahren wagte Alexander Windbichle­r den ganz großen Sprung und eröffnete den ersten Serverstan­dort außerhalb Europas, in Tokio – einen Monat nachdem der Klagenfurt­er Anexia Deutschlan­d gründete. Seither ist viel geschehen: Das erste eigene Rechenzent­rum entstand vor sieben Jahren in Wien, kurz darauf wurde im Dezember 2012 Anexia Inc. in den USA ins Leben gerufen. Seit der Eröffnung des ersten Serverstan­dorts in Afrika 2015 ist das Klagenfurt­er Unternehme­n nun auf allen Kontinente­n vertreten.

93 globale Rechenzent­ren betreibt Anexia mittlerwei­le. Aktuell wird über alle Standorte ein einheitlic­her Technologi­estandard ausgerollt, wovon die 10.000 Kunden profitiere­n sollen. Mit den Privatkund­en sind es sogar mehr als 100.000, allein 170.000 Domains verwaltet Anexia für diese.

Gut 200 Mitarbeite­r beschäftig­t Windbichle­r derzeit, etwa die Hälfte davon in Kärnten. Nach 13 Jahren permanente­n Wandels konstatier­t der noch immer jugendlich­e Firmeneign­er einen „gewissen Reifegrad“seines Unternehme­ns, der zu „Stabilität und Nachhaltig­keit“verpflicht­e. Die finanziell­e Basis beruhe, betont Windbichle­r, „nach wie vor auf Selbstfina­nzierung“. Der Kärntner ist seit der Gründung zu Maturazeit­en Alleineige­ntümer von Anexia, das er heute als Technologi­eunternehm­en defi

niert, eines, das eine Vielzahl von Bausteinen („damit können wir uns in viele Richtungen entwickeln“) bereitstel­lt. „Lego ist ein guter Vergleich zu dem, was wir tun. Unsere technologi­sche Basis funktionie­rt ebenso für Industrie 4.0 wie für das Internet oft Things und künstliche Intelligen­z“, sieht Windbichle­r eine hohe Nachfrage.

Sorglosigk­eit wäre dabei fehl am Platz. Die Internetin­frastruktu­r von Anexia ist permanent unter Beschuss – und das nicht nur im übertragen­en Sinn: Eine spektakulä­re DDoS-Attacke 2018 wendete man etwa nur ab, weil man auf „der zehnspurig­en Autobahn, die wir gebaut haben, ausweichen kann“. Permanente Cyberangri­ffe auf die Serverinfr­astruktur („Wir investiere­n Millionen Euro in die Abwehr“) beschäftig­en Anexia massiv. „Wir befinden uns im Internet heute in einem Technikund Wirtschaft­skrieg“, meint der sonst gar nicht martialisc­he Windbichle­r. An einzelnen prekären Standorten hat Anexia sogar bewaffnete Sicherheit­sleute platziert, um seine TelekomHub­s auch gegen physische Angreifer zu verteidige­n.

Neben Angriffen aus dem Netz wird der Stromverbr­auch der Cloud-Serverfarm­en zusehends zum Thema für Anexia. Bis zu 20 Prozent der Gesamtkost­en entfallen bereits auf Energie. Ohne Zahlen zu präzisiere­n, spricht Windbichle­r „von ganzen Städten, die so viel Strom verbrauche­n wie unsere Rechenzent­ren“. Die intelligen­ten Bausteine, auf die Windbichle­r setzt, sollen die CO2-Bilanz so niedrig wie möglich halten.

Die Kundenlist­e von Anexia strotzt nur so vor bekannten Namen, darunter Branchengr­ößen wie BMW, Netflix, ProSieben, YouTube, Google oder Red Bull, die zumindest in Teilbereic­hen mit den Klagenfurt­ern zusammenar­beiten. Wer mit Lufthansa fliegt, kommt bei der Buchung an der digitalen Infrastruk­tur von Anexia nicht vorbei. An anderer Stelle werden heikle Patientend­aten über Anexia-Server gehostet. Auch Mobilfunkb­etreiber nutzen Anexia, „wir sind verantwort­lich, damit deren Dienste zustande kommen“, meint Windbichle­r trocken. „Wir stehen hinter vielen Lebensbere­ichen“, so der AnexiaChef, „und das macht uns stolz.“

Als besondere Stärke sieht der Klagenfurt­er übrigens den strengen europäisch­en Datenschut­z. „Europäer sind Herr über ihre eigenen Daten, das schafft ein Grund-Mindset auf der Basis eines funktionie­renden gesetzlich­en Rahmens“, bemerkt Windbichle­r. Spezielle Trümpfe im Ärmel hat Windbichle­r nicht: „Wir sind ohne Unterstütz­ung der Politik oder von Investoren groß geworden. Nur so konnten wir uns gegen die Großen durchsetze­n.“Das Rollenbild als klassische­r ITDienstle­ister verlässt Anexia jetzt zusehends: „Jetzt sind Alibaba und Amazon unsere technologi­schen Mitbewerbe­r.“Eine Benchmark, die Windbichle­r die Latte hochschrau­ben lässt. „Was bei Cloud-Diensten in den USA Microsoft und Amazon und in China Alibaba ist, soll zukünftig in Europa Anexia sein.“

Der Hintergrun­d verdeutlic­ht, warum Windbichle­r solche Visionen äußert: „In Europa gibt es viele kleinere Anbieter, ein Startvorte­il für einen Anbieter wie uns, der alle Kraft in Technologi­e setzt.“Er sei kein Freund von Größenwahn, aber er sehe „realistisc­he Chancen, zur europäisch­en Alternativ­e der Tech-Giganten zu werden.“ Um dieses Ziel zu erreichen, soll es nun weitere Zukäufe geben, darunter in Deutschlan­d. Firmenüber­nahmen pflastern den Erfolgsweg der Kärntner – die Übernahme des deutschen Hosters Netcup 2016 ragt dabei heraus; die Fertigstel­lung des Backbone Europe, eines 100GNetzwe­rks 2018, war ein weiterer Höhepunkt. Aber auch organische­s Wachstum soll forciert werden: „Zukäufe müssen in die Plattform, die wir nun bauen, passen - das ist unsere Vorgabe. Wir wollen offenbleib­en, damit andere an unser System andocken können“, sagt Windbichle­r. Die Schaffung eines Ökosystems, in dem Mitbewerbe­r mitspielen können, ist für Windbichle­r wesentlich. „Die Richtung, in die wir gehen, soll der Standard für andere sein.“

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HELGE BAUER Anexia-Eigentümer Alexander Windbichle­r

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