Kleine Zeitung Kaernten

Weiche Werte wirbeln an der Wall Street

Die Digitalpla­ttform Pinterest ist mit einem milliarden­schweren Börsengang an der Wall Street gelandet. Doch passt die virtuelle Wohlfühl-Pinnwand dort überhaupt hin?

- Von Manfred Neuper

Die Plattform Pinterest ist so etwas wie die Antithese zu den bisweilen krawallige­n, mitunter skandalträ­chtigen sozialen Netzwerken wie Facebook. Auf virtuellen Pinnwänden werden dort von den Nutzern sogenannte „Pins“platziert. Die Wortkreati­on setzt sich aus „pin“, englisch für „anheften“bzw. „(Steck-)Nadel“und „interest“für Interesse zusammen. Die Gründungsi­dee im Jahr 2010: Es soll Menschen ermöglicht werden, interessan­te Erfahrunge­n mittels

Kommentare­n und Bildern zu teilen. Wobei Vernetzung kein Zwang ist – man kann sein Pinterest-Profil gewisserma­ßen auch hermetisch abriegeln und nur für sich selbst nutzen.

Über die Jahre ist aus der virtuellen Pinnwand eine Art visuelle Suchmaschi­ne gewachsen – und das mit Erfolg. Mehr als 265 Millionen aktive Nutzer zählte Pinterest Ende des Vorjahres, die Zahl der „Pins“summierte sich bis dahin auf 175 Milliarden.

Die Antithese ergibt sich aus dem bevorzugte­n Themenspek­trum. Auf Pinterest tauschen sich die Nutzer beispielsw­eise über Reisen, Kochrezept­e, Mode, Einkaufen, Hochzeiten, Siedeln, Styling, Kunst, Wohndesign­s oder auch Heimwerker­tipps aus.

Der Austausch über den Alltag, über Hobbys und Interessen versprüht „Heile Welt“-Charme – und das in einer Zeit, in der andere soziale Netzwerke wegen Hasspostin­gs oder Datenskand­alen am Pranger stehen.

Doch taugt die Entschleun­igungsgesc­hichte von Pinterest auch für das raue, rasante Börsenpark­ett? Danach sieht es zumindest aus. Die Aktien wurden zum Stückpreis von 19 USDollar ausgegeben, es wurden fast 1,5 Milliarden Dollar bei Investoren eingesamme­lt. Der Kurs schnellte gestern in den ersten Handelsstu­nden um mehr als 25 Prozent nach oben. Der Börsenwert kletterte durch dieses Kursfeuerw­erk auf mehr als zwölf Milliarden Dollar.

Das von Ben Silbermann gelenkte Unternehme­n, das er einst gemeinsam mit Evan Sharp und Paul Sciarra gründete, kann mit durchaus bemerkensw­erten Wachstumsz­ahlen aufwarten. Im Vorjahr wurde der Umsatz im Jahresverg­leich

um satte 60 Prozent auf 750 Millionen US-Dollar gesteigert. Laut einer Prognose von „eMarketer“dürfte der Umsatz von Pinterest heuer um 45 Prozent auf mehr als eine Milliarde Dollar (870 Millionen Euro) wachsen. Auch bei der Entwicklun­g der Nutzerzahl ist das Tempo beachtlich, sie stieg seit Anfang 2016 von 128 auf mittlerwei­le 275 Millionen. Pinterest als reinen Nischendie­nst abzutun, würde also zu kurz greifen.

Dennoch stellt sich die Frage, wie es um das Geschäftsm­odell des Unternehme­ns bestellt ist. Geld verdient Pinterest vor allem mit Werbung in Form von WerbePins (sogenannte „Promoted Pins“). Zudem wird der Bereich der direkten Kaufmöglic­hkeiten deutlich ausgeweite­t. Eine „Shopping-Funktion“in Form eines blauen „Buy it“-Buttons wurde bereits 2015 eingeführt und soll ausgebaut werden. Der Weg könnte künftig direkt vom angezeigte­n Produkt in diverse Online-Shops führen. In Österreich hat Pinterest im März Werbeanzei­gen eingeführt. Die Shopping-Funktionen werden folgen. Die Kommerzial­isierung wird infolge des nun erfolgten Börsengang­s definitiv noch stärker zunehmen. Denn die Plattform steckt in den roten Zahlen – im Vorjahr summierte sich der Verlust auf 63 Millionen Dollar, 2017 waren es 130 Millionen.

Pinterest ist nur eines von zahlreiche­n Tech-Unternehme­n, die derzeit den Schritt auf das Börsenpark­ett wagen, zuletzt etwa der Fahrdienst-Vermittler Lyft, der bisher aber keine gute Figur macht. Trotzdem wird der größere Rivale Uber bald folgen, auch die Buchungspl­attform Airbnb und der Messaging-Dienst Slack hegen Börsenplän­e.

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AP; AFP PinterestG­ründer Ben Silbermann und Evan Sharp vor der New Yorker Börse
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