Kleine Zeitung Kaernten

Wann kommen Organe aus dem Labor?

INTERVIEW. Science-Fiction oder bald Realität? Forscher Sasha Mendjan lässt Mini-Herzen wachsen und glaubt an „Ersatzorga­ne“aus der Petrischal­e.

- Von Sonja Krause

Diese Woche präsentier­ten israelisch­e Forscher ein winziges Herz aus menschlich­en Zellen, hergestell­t mit einem 3D-Drucker. Wie zukunftstr­ächtig ist der Ansatz, Organe auszudruck­en?

SASHA MENDJAN: Dieser Ansatz wird tissue engineerin­g genannt, es ist also der künstliche Nachbau von Gewebe. Ist ein Organ sehr einfach aufgebaut, ich denke zum Beispiel an die Luftröhre, ist es gut möglich, dass dieser Nachbau funktionie­rt. Nimmt man aber komplexe Organe wie das Herz oder das Gehirn, ist es schwer denkbar, diese Organ nach diesem Prinzip nachzubaue­n. Es gibt viele verschiede­ne Zelltypen, die zusammensp­ielen müssen. Dass ausgedruck­te Zellen richtig miteinande­r agieren, ist meiner Ansicht nach wenig wahrschein­lich.

Sie selbst forschen auch an der Herstellun­g von Mini-Herzen, verfolgen aber einen anderen Ansatz. Was ist der Unterschie­d? Tissue engineerin­g, die Grundlage des Herzens aus dem 3Dgen, Drucker, lässt sich mit dem Hausbau vergleiche­n: Man schaut sich das Organ an, macht einen Plan, wie es aussehen soll, dann baut man die einzelnen Bausteine zusammen. Wir verfolgen mit unseren Herzorgano­iden einen anderen Ansatz: Wir schauen uns an, wie die Natur ein Organ wie das Herz baut. Sie macht das nicht wie ein Baumeister, sondern das Herz entwickelt sich Schritt für Schritt. Die Natur setzt nicht fertige Zellen zusammen, sondern fängt mit Vorläuferz­ellen an. Diese müssen miteinande­r sprechen, dadurch entwickelt sich ein Mini-Organ im Embryo. Wir sagen: Es ist dieser natürliche Prozess, den wir im Labor nachahmen müssen. Schließlic­h hat die Evolution das nicht ohne Grund so entwickelt. Wie weit sind Sie denn in der Entwicklun­g eines solchen Herzorgano­ids? Wir forschen daran, aber bisher gibt es noch kein Herzorgano­id. Für viele andere Organe, wie den Darm, die Leber und das Gehirn, ist es aber schon gelunsolch­e Modelle herzustell­en.

Was macht es so schwierig?

Ein Organoid ist nicht nur eine organähnli­che Struktur im 3DFormat – es ist ein selbst wachsendes Organ, das aus Stammzelle­n im Labor entsteht und seine Organstruk­tur selbst aufbaut. Dafür haben wir die Signale entschlüss­elt, die den Zellen in jeder Entwicklun­gsphase sagen, was zu tun ist. Diese Signale funktionie­ren wie Botenstoff­e und sagen zum Beispiel der Vorläuferz­elle, dass sie sich zu einer Herzkammer­zelle entwickeln soll. Wir haben diese Sprache der Zellen entschlüss­elt und sprechen sie jetzt auch. Aber die Entwicklun­g des HerSeit

zens ist am Anfang sehr komplex, das liegt wohl daran, dass es unser erstes Organ überhaupt ist. Das Herz fängt an Tag 23 im Mutterleib an zu schlagen, es entwickelt sich viel schneller als andere Organe. Was muss ein Organoid können? Das Herz aus dem 3D-Drucker ist ja nicht funktionsf­ähig. Ein Organoid muss funktionie­ren! Was wir jetzt schon in unserem Labor haben, sind einfache Versionen von Mini-Herzen: Sie schlagen bereits und haben auch einen kleinen Vorhof, auch Blutgefäße haben wir schon. Doch da gibt es so viele Prozesse, die funktionie­ren müssen: Das Wichtigste ist die Pumpfunkti­on, es müssen sich Herzkammer­n bilden, alle Zellen müssen auch wirklich Herzzellen sein. Die israelisch­en Forscher wollen in zehn Jahren ein funktionsf­ähiges Herz für den Menschen ausdrucken. Was glauben Sie, wie die Zukunft aussehen wird? Es ist sehr realistisc­h, dass wir bald Herzorgano­ide haben werden. Daran können Krankheite­n erforscht werden, zum Beispiel angeborene Herzfehler. Herzorgano­ide könnten auch als Zellmateri­al benutzt werden, um sie in die Herzen von Menschen zu transplant­ieren. Es wurde schon gezeigt, dass das funktionie­ren kann. Hat ein Mensch einen Herzinfark­t erlitten, stirbt dadurch eine große Zahl an Herzzellen ab. Diesen Patienten könnten neue Zellen ,gespritzt‘ werden – wichtig ist dabei, dass es genau die richtigen Zellen sind, damit das Herz heilen kann. Ein weiteres wichtiges Einsatzgeb­iet für Mini-Herzen: Jedes Medikament, das auf den Markt kommt, muss dahingehen­d getestet werden, ob es Nebenwirku­ngen am Herzen auslöst. Bisher wurde das nur an Zellkultur­en getestet, viel besser wäre ein echtes Herzmodell. Auch das tissue engineerin­g wird sich weiterentw­ickeln – es könnte auch sein, dass eine Kombinatio­n der Ansätze die Lösung sein wird. Dann würde es funktionsf­ähige „Ersatzherz­en“aus dem Labor geben? Ich kann mir das gut vorstellen. Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass mittels tissue engineerin­g ein Grundgerüs­t eines Herzens entwickelt wird – und wir könnten das Gewebe aus der Organoidfo­rschung liefern. Aber das wird wohl noch länger als zehn Jahre dauern.

 ?? APA, IMBA (2), MICHAEL SAZEL, ADOBE STOCK ?? Dieses Mini-Herz druckten israelisch­e Forscher mit dem 3D-Drucker
APA, IMBA (2), MICHAEL SAZEL, ADOBE STOCK Dieses Mini-Herz druckten israelisch­e Forscher mit dem 3D-Drucker
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