Ein melancholischer Erlöser der Welt
Wer war eigentlich dieser gottgleiche Mensch, dessen Auferstehung heute von mehr als zwei Milliarden Christen gefeiert wird? Der „am dritten Tage von den Toten auferstanden“und „in den Himmel aufgefahren ist“, wie es im katholischen Glaubensbekenntnis heißt?
Zigtausende Bücher haben sich bereits mit dem historischen Jesus beschäftigt, doch keines konnte mit Bestimmtheit sagen, in welchem Jahr der Zimmermannssohn aus Galiläa geboren wurde, wann er starb und wie er überhaupt aussah. In den Evangelien ist erstaunlicherweise nichts darüber zu erfahren. So lag es in den Händen von Künstlern wie Leonardo da Vinci, dem bis heute so einflussreichen jüdischen Wanderprediger ein Gesicht zu geben. Anfänglich noch als jugendlicher und bartloser Hirte dargestellt, setzte sich ab dem 4. Jahrhundert die bis heute gängige Vorstellung vom langhaarigen Lehrer und Philosophen durch, als den ihn auch das Turiner Grabtuch vor Augen führt.
In einem Ölgemälde, das erst seit wenigen Jahren als eigenhändiges Werk Leonardos angesehen wird, ist Jesus als „Salvator mundi“, als verklärter Retter der Welt, dargestellt. Sein Aussehen ist göttlich in jeder Hinsicht: Das blonde Haar fällt kunstvoll gelockt über die Schultern herab, die feinen Gesichtszüge lassen Entrücktheit und einen Anflug von Melancholie erkennen. Während der Erlöser seine Rechte zum Segensgestus erhoben hat, hält er in der Linken eine gläserne Kugel, Symbol der von ihm erhellten Welt.
Dass Leonardo auf seiner 66 Zentimeter großen Nussholztafel das Idealbild eines Renaissancemenschen zeigt, das mit dem historischen Jesus nur wenig zu tun hat, überrascht nicht wirk
lich. Archäologen zufolge war der durchschnittliche semitische Mann um Christi Geburt gerade einmal 1,55 Meter groß und trug kurzes dunkles Haar – so wie die römischen Besatzer.
Dass Jesus, der sich seinen Lebensunterhalt als Zimmermann verdiente, in puncto Aussehen nicht besonders aus der Masse hervorstach, legen die Evangelien nahe, die davon berichten, dass er einmal unauffällig in einer gegen ihn aufgebrachten Menschenmenge untertauchen konnte. Auch bedurfte es erst eines Judas-Kusses, um ihn für den Verhaftungstrupp identifizierbar zu machen.
tatsächlich selbst geschaffen hat, ist nicht ganz unumstritten. Wichtigster Einwand gegen seine Urheberschaft: Ein Universalgenie, das auch Schriften über die Optik verfasste, hätte mit Sicherheit gewusst, dass eine Glaskugel wie eine Linse funktioniert und alle Gegenstände auf den Kopf stellt. Doch die blauen Gewandfalten des Auferstandenen schimmern ungebrochen wie durch eine gewöhnliche Glasscheibe.
Trotz solcher Zweifel wurde das Gemälde vor zwei Jahren in New York für die Rekordsumme von 450,3 Millionen Dollar versteigert. Es soll eines Tages im Louvre Abu Dhabi zu sehen sein. Als neuer Besitzer wird ein Mitglied des saudischen Königshauses – möglicherweise der regierende Kronprinz selbst – vermutet.
Die grausame Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi machte schon bald nach der Versteigerung bewusst, dass die Friedensbotschaft des „Weltenretters“erst noch überall ankommen muss. Auch bei uns selbst.