Die Gefahr aus dem Palast in Ankara
Wie weit reicht der lange Arm Erdo˘gans in Österreich? Ein Buch versucht das zu klären.
Der türkische Staat geht rigoros gegen seine Gegner vor, seien sie nun aus dem Inland oder Ausland. Dabei macht der Machtapparat von Präsident Recep Tayyip Erdog˘an und seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP nicht halt an den Staatsgrenzen. Einfluss wird auch auf die türkische und türkischstämmige Community in den anderen europäischen Ländern genommen. Der Druck auf die 280.000 austro-türkischen Migranten – seien sie nun Türken, Österreicher oder Doppelstaatsbürger – wächst verschärft seit dem gescheiterten Putschversuch gegen Erdog˘an. Dies lässt sich allein schon an der Entwicklung der Türkischislamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit (Atib) in Österreich ablesen. Die Atib mit Sitz in Wien wird oft – wie auch andere türkische Dachverbände in Europa als langer Arm Erdog˘ans bezeichnet. Wie genau das funktioniert, hat die Journalistin und „Presse“-Außenpolitik-Redakteurin Duygu Özkan ergründet. Sie hat einen ausführlichen Blick hinter die Kulissen der Gülen-Bewegung, der Millî Görü¸s und der Grauen Wölfe geworfen, die Motive und Entwicklung dieser Organisationen zusammengetragen sowie eindrücklich und lebendig erzählt. Eine Besonderheit ist dabei die Faszination, die der AKP-Chef auf viele Menschen mit türkischen Wurzeln ausübt. Dies lässt sich laut Özkan vor allem darauf zurückführen, dass die positive wirtschaftliche Entwicklung der Türkei unter Erdog˘an die Schattenseiten seines autoritären Politikstils offensichtlich übertüncht. Dabei würden viele ihre Eindrücke lediglich aus den Erzählungen ihrer Bekannten und Verwandten in der Türkei und dem eigenen – meist nur kurzzeitigen – Augenschein zusammentragen. Özkan, sie selbst in der Türkei geboren wurde, in Vorarlberg aufwuchs und in Berlin sowie Wien Geschichte studierte, kommt zu dem Fazit: Der Einfluss Erdog˘ans in Österreich hat seine Grenzen, die Debatte aber wird nie emotionslos geführt. Allerdings wird sie innerhalb der Community weit differenzierter geführt, als es nach außen scheinen mag.