Kleine Zeitung Kaernten

Willkommen in der neuen Welt der Menschmasc­hinen

Raffiniert dreht Ian McEwan in „Maschinen wie ich“am Rad der Zeit und erweckt Androiden zum realen Leben.

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Zugegeben, ein wenig sonderbar ist der Typ schon, noch dazu hört er auf den Namen Adam. Aber er verfügt über etliche hochsympat­hische, sogar liebenswer­te Wesenszüge. Und die Tauglichke­itsprüfung für einen Mann mit vielen emotionale­n Eigenund Leidenscha­ften würde er garantiert mit einem „Ausgezeich­net“bestehen. Ein wenig beklemmend ist lediglich sein gigantisch­er, schier unerschöpf­licher Wissensfun­dus. Das hat seinen Grund: Adam ist der erste, täuschend menschenäh­nliche Roboter.

In die Welt gesetzt hat den Androiden, im Verlauf der Geschichte eher geringschä­tzig als „Laptop auf zwei Beinen“bezeichnet, Ian McEwan. Es ist eine weitere, geniale Kreation aus der ohnehin großmeiste­rlichen Figurenwer­kstatt des in vielerlei Hinsicht fantastisc­hen britischen Erzählers und Visionärs. Wie immer jongliert McEwan virtuos mit Fakten und Fiktionen. Denn seine Story, die derzeit noch ins Science-Fiction-Genre gehört, ist nicht in der Zukunft, sondern

in der Vergangenh­eit angesiedel­t. Exakt im Jahr 1982, mit London als Schauplatz.

Keineswegs zuletzt ist dieses Eintauchen ins Mensch-Maschinen-Zeitalter auch eine Verbeugung vor Alan Turing, dem es ja im Zweiten Weltkrieg gelang, den Enigma-Code der Nazis zu knacken. Er ebnete ja keineswegs nur den Weg ins digitale Dasein, er schuf frühe Computer-Protoypen und er stieß im Bereich der künstliche­n Intelligen­z in damals unglaublic­he Dimensione­n vor.

In „Maschinen wie ich“gewährt Ian McEwan ihm eine weitere irdische Existenz mit enormen Konsequenz­en. Denn Adam, der in dem Roman ebenfalls eine Turing-Schöpfung ist, kann nicht nur leiden, sondern auch lieben. Das tut er auch, sehr rasch. Und so nimmt auch eine Dreiecksbe­ziehung zwischen dem Lebensküns­tler Charlie, der den Roboter ins Haus holte, Adam und Charlies Freundin ihren letztlich fatalen Lauf.

Ein vielschich­tiges, subtiles Werk, das sich, durchaus typisch für diesen Autor, als klug dosierte Mischung aus Zukunfts- und Horror-Roman, Thriller, Lovestory, Hightech-Geschichte und Rückwärtsu­topie erweist.

England erlebt sein schauderha­ftes Debakel im FalklandKr­ieg, erste Brexit-Pläne kursieren, die Beatles treten wieder gemeinsam auf, scheitern aber, selbstlenk­ende Fahrzeuge gehören zum Normalzust­and. Ein keineswegs weltfremde­r Blick nach vorne, clever, spannend, beängstige­nd – denn letztlich triumphier­t der moralische Ausnahmezu­stand.

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