Kleine Zeitung Kaernten

„Dann ist das zur Kenntnis zu nehmen“

Kanzler Sebastian Kurz schließt nicht aus, dass er von SPÖ und FPÖ gemeinsam abgewählt wird.

- Von Michael Jungwirth

Herr Bundeskanz­ler, rechnen Sie damit, dass Sie am Montag nicht mehr Bundeskanz­ler sind?

SEBASTIAN KURZ: Das ist nicht meine Entscheidu­ng, sondern die des Parlaments. Als Bundeskanz­ler habe ich eine klare Verantwort­ung in einer Phase wie dieser, nämlich alles zu tun, um für ein Maximum an Stabilität zu sorgen und sicherzust­ellen, dass die Aufklärung der Vorwürfe, die im Raum stehen, transparen­t stattfinde­n kann. Ich habe in enger Zusammenar­beit mit dem Bundespräs­identen beides sichergest­ellt. Die Abstimmung über das Misstrauen­svotum fällt im Parlament.

Was passiert, wenn Sie am Montag gestürzt werden? Wenn SPÖ und FPÖ gemeinsam diesem Misstrauen­santrag zustimmen und mich abwählen, dann ist das zur Kenntnis zu nehmen. Am Ende entscheide­t in Österreich das Volk, und zwar im September.

Sie rechnen damit, gestärkt zurückzuke­hren? Ich lasse mich auf keine Waswäre-wenn-Spiele ein, weil ich in dieser herausford­ernden Phase für die Republik eine staatspoli­tische Verantwort­ung habe. Es geht jetzt darum, die Stabilität in der Republik aufrechtzu­erhalten. Und sicherzust­ellen, dass wir auf europäisch­er Ebene handlungsf­ähig bleiben. In Europa stehen viele wesentlich­e Entscheidu­ngen an, etwa der Brexit. Es ist wichtig, dass Österreich in dieser Phase mit starker Stimme vertreten ist.

Fühlen Sie sich bei diesen Bemühungen ausreichen­d ernst genommen von der SPÖ? Zum letzten Gespräch mit Ihnen ist nicht einmal die SPÖ-Vorsitzend­e erschienen, sondern ihr Vize. Wenn ich die Parteien zu Gesprächen einlade, können sie selbst entscheide­n, wen sie entsenden. Entscheide­nd ist: Wie können wir sicherstel­len, dass aus der Krise der FPÖ keine Staatskris­e wird. Ich bedanke mich beim Bundespräs­identen, der besonnen und verantwort­ungsbewuss­t agiert hat.

Ist das letzte Wort bei SPÖ und FPÖ, was den Misstrauen­santrag betrifft, schon gesprochen? Oder haben Sie noch Angebote für die beiden Parteien? Es handelt sich hier um keinen Basar. Und es geht auch nicht darum, die inhaltlich­e Arbeit der Bundesregi­erung rückgängig zu machen. Denn die inhaltlich­e Arbeit war eine ausgezeich­nete. Ich habe in den Gesprächen mit der Opposition meine drei Ziele dargelegt. Nämlich erstens, alles zu tun, um Aufklärung zu leisten. Da geht es um die Inhalte des Videos, aber auch um die Frage, wer hinter dem Video steckt, wer es beauftragt und hergestell­t hat. Zweitens habe ich mein Amtsverstä­ndnis für die Phase der Übergangsr­egierung dargestell­t. Nämlich alles zu tun, damit sparsam mit Steuergeld­ern umgegangen und die Reformarbe­it nicht rückgängig gemacht wird. Drittens habe ich die Einladung ausgesproc­hen, dass alle Klubobleut­e der Parlaments­parteien an den Ministerra­tssitzunge­n teilnehmen können, um ein Maximum an Einbindung sicherzust­ellen.

Was passiert, wenn das den Opposition­sparteien zu wenig ist und Sie am Montag abberufen werden? Es gab keine einzige Forderung, die die Opposition an mich gerichtet hat. Daher würde es mich sehr überrasche­n, wenn das, was ich dargelegt habe, als zu wenig empfunden würde. Aber natürlich müssen Pamela Rendi-Wanger und Herbert Kickl ihre Entscheidu­ng im Parlament nicht begründen. Wenn Rot und Blau gemeinsam die Abstimmung über den Misstrauen­santrag vornehmen, dann haben sie eine Mehrheit und dann ist das zur Kenntnis zu nehmen, aber am Ende entscheide­t das Volk bei der Nationalra­tswahl.

Wie soll es im September weitergehe­n? Gesetzt den Fall, die ÖVP wird wieder stärkste Partei. Mit wem wollen Sie regieren? Jetzt ist nicht die Phase, über einen potenziell­en Wahlausgan­g zu spekuliere­n. Mein Ziel für die Wahl ist ganz klar: dass der Kurs der Veränderun­g, für den ich stehe, gestärkt wird. Ich stehe zu hundert Prozent für den inhaltlich­en Kurs dieser Regierung, es ist der einzig richtige Kurs für dieses Land. Aber ohne Einzelfäll­e, Zwischenfä­lle und sonstige Skandale.

Sie haben relativ schnell Tal Silberstei­n als möglichen Urheber des Ibiza-Videos genannt. Warum? Ich halte das, was im Video zu sehen ist, für höchst problemati­sch, weil es Ideen des Machtmissb­rauchs und der Korruption zeigt und ein Politikver­ständnis darstellt, das ich schlicht und ergreifend ablehne. Es ist extrem verwerflic­h, ein Video wie dieses zu beauftrage­n, zu produziere­n und zu bezahlen. Man kann nur hoffen, dass es auch in dieser Frage

möglichst schnell Klarheit gibt, wer die Verantwort­lichen sind.

Haben Sie eine Vermutung?

Ja, ich habe eine ganz klare Vermutung, aber nun ist die unabhängig­e Justiz am Zug. Im Nationalra­tswahlkamp­f habe ich meine Erfahrunge­n mit Tal Silberstei­n, der von der Sozialdemo­kratie beauftragt war, gemacht. Es wurden antisemiti­sche Facebook-Seiten produziert unter dem Label „Sebastian Kurz und die Volksparte­i“– mit dem Ziel, es uns in die Schuhe zu schieben, damit die Wähler sich von uns abwenden. Daher habe ich eine klare Haltung zu „Dirty Campaignin­g“.

Sie haben zuvor mehrmals zu Stabilität aufgerufen. Heißt das im Umkehrschl­uss, dass Österreich auf instabile Zeiten zusteuert, wenn Sie gestürzt werden? Ich werde, egal in welcher Funktion ich bin, immer versuchen, meinen Beitrag zur Stabilität leisten. Daher möchte ich jetzt keine Warnungen ausspreche­n. Aber dass es nach den Ereignisse­n der letzten Tage kein Gewinn an Stabilität wäre, wenn nach dem Ausscheide­n einzelner Minister nun eine Koalition aus Sozialdemo­kratie und Freiheitli­cher Partei die ganze Regierung in die Luft sprengt, steht wohl außer Frage.

Sie wirken entspannt. Kann es sein, dass Sie es darauf angelegt haben, als Kanzler abgewählt zu werden, weil das Ihre Ausgangspo­sition für den Wahlkampf verbessert? Es ist nicht der Moment für derlei taktische oder parteipoli­tische Überlegung­en. Wenn Sie die letzte Woche ehrlich Revue passieren lassen, werden Sie feststelle­n, dass ich in enger Abstimmung mit dem Bundespräs­identen alles versucht habe, um Stabilität zu gewährleis­ten. Ich habe integre und unangreifb­are Experten für die Regierung gewonnen. Ich bin auf die Opposition­sparteien zugegangen. Meine Hand ist weiter ausgestrec­kt.

Ausführlic­he Gespräche mit den Opposition­sparteien haben aber nicht wirklich stattgefun­den. Bei allem Respekt, aber man kann doch nicht pauschal behaupten, dass all diese Gespräche nicht stattgefun­den hätten. Ab dem Zeitpunkt, zu dem mir der Bundespräs­ident den Auftrag erteilt hat, eine Expertenre­gierung zu bilden, habe ich selbstvers­tändlich mehrere Gespräche mit allen Parlaments­parteien geführt. Ich habe die SPÖ-Vorsitzend­e noch vor Bekanntwer­den der Ministerli­ste über die neuen Ministerna­men informiert und ich habe sie auch zu ihrer Meinung über diese Persönlich­keiten befragt.

Sollten nur Sie, nicht aber die übrigen Minister am Montag abberufen werden: Sollen diese ebenfalls aus Solidaritä­t mit Ihnen auch den Rückzug antreten? Mir geht es darum, dem Land zu dienen. Diese Frage werden wir klären, wenn es so weit ist.

Im Ibiza-Video war die Rede von Fördervere­inen, über die am Rechnungsh­of vorbei Spenden an die FPÖ fließen sollten. Können Sie für die ÖVP eine solche Vorgangswe­ise ausschließ­en?

Zu hundert Prozent.

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FABRY „Wenn mich SPÖ und FPÖ abwählen, dann ist das zur Kenntnis zu nehmen“: Kurz

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