Kleine Zeitung Kaernten

Helmut Marko über Niki Lauda: „In unseren Gesichtern sieht man die Spuren“

Helmut Marko, Wegbegleit­er von Niki Lauda über fast 50 Jahre, erinnert sich an seinen Freund und seinen Gegner, an dessen Talent und an den Menschen.

- Von Gerhard Hofstädter aus Monaco

Die Todesnachr­icht von Niki Lauda kam Montag am Abend. Wie haben Sie diese Stunden, diese Augenblick­e erlebt?

HELMUT MARKO: Es war so zirka um zehn Uhr am Abend. Und obwohl es natürlich bekannt war, dass der Zustand von Niki immer besorgnise­rregender war, dass wir gewusst haben, wie schlecht es ihm geht, und dass es doch ziemlich bedenklich ist, war es, als ich die Gewissheit hatte, dass Niki gestorben ist, ein richtiger Schock. Man beginnt alles noch einmal Revue passieren zu lassen. Ich kannte Niki ja seit über 50 Jahren, man erinnert sich an so vieles, vor allem auch an sehr unterhalts­ame und lustige Momente.

Welche Gedanken haben Sie in diesem ganz speziellen Moment und in den wenigen Tagen danach beschäftig­t?

Ich stellte nur noch einmal fest, welche außergewöh­nliche Persönlich­keit Niki Lauda war. Es ist unglaublic­h, was er erreicht hat, im Sport, im Wirtschaft­sleben. Aber nicht nur das. Ich erkannte auch von Neuem, welch gigantisch­e Schicksals­schläge ihn getroffen haben. Was er immer wieder wegstecken musste, welche Größe er dadurch erlangte. Das eine war der Feuerunfal­l auf dem Nürburgrin­g, das andere der Absturz der LaudaAir-Maschine in Thailand. Ja, wir können als Österreich­er stolz sein, ihn gekannt zu haben. Dazu muss man auch sagen, dass er trotz aller Erfolge und Rückschläg­e in all den Jahren eines geblieben ist: bodenständ­ig, gepaart mit seiner Direktheit. Uns hat auch eines verbunden. Dieses unabänderl­iche Geschwätz, das heute fast nicht mehr wegzudenke­n ist, haben wir vielleicht nicht gerade gehasst, aber uns doch davon distanzier­t. Und so waren die gemeinsame­n Frühstücke bei den Rennen ein angenehmer Start in den Tag. Wir sind immer gleich zur Sache gekommen, in kurzen und klaren Worten. Immer auch mit einer kleine Portion Schmäh verbunden, mit einer gewissen Ironie.

Eure Tage begannen also immer mit Freude und Spaß?

Ja, es ist ja vielleicht in der Öffentlich­keit nicht so rübergekom­men, dass Niki einen ausgeprägt­en Sinn für Humor hatte. Eine ganz spezielle Art, mit ganz feiner Klinge.

Man hat ja gewusst, dass es Niki Lauda immer schlechter geht, vor allem in den letzten Wochen. Wie haben Sie das persönlich gespürt?

In den letzten Tagen hat er das Telefon nicht mehr abgehoben. Und selbst bei unserem letzten Telefonat bemerkte ich die schwache Stimme von Niki. Ich glaube, dass er selbst zum Schluss gespürt hat, dass es nicht mehr geht. Da hat er dann wohl auch den eisernen Willen nicht mehr gehabt, den Kampf mit allen Konsequenz­en auszufecht­en. Der Körper gibt irgendwie auf. Aber trotzdem: Man nimmt das wahr, aber wenn die letzte Nachricht kommt, ist es immer ein Schock.

Sie haben Niki Lauda rund 50 Jahre begleitet. Wie haben Sie ihn eigentlich kennengele­rnt?

Also, begegnet sind wir uns sicher bei einem der früheren Bergrennen. Wann und wo, weiß ich jetzt nicht mehr. Die

erste bewusste Begegnung war irgendwo in Finnland, keine Ahnung, welche Rennstreck­e das war. Da hat er selbst den Lastwagen von Master Bergmann nach Finnland gesteuert, Führersche­in hat er dafür sicher nicht gehabt, nur damit er dort das Rennauto fahren kann, das war ein Formel Vau. Da habe ich gemerkt, welch großes Talent in Niki steckt. Aber dass er auch schon da immer mit dem Kopf dabei war. Er hat immer alles aussortier­t, bevor er ans Limit ging.

Sie beide sind Akteure im Nachfolges­piel von Jochen Rindt gewesen. Wie erinnern Sie sich heute daran?

Ich war ja wohl schon viel weiter. Aber jeder weiß, wie das ausgegange­n ist. Mit meinem Unglück beim Rennen in Frankreich, mit dem Stein usw. Ich hatte zu dem Zeitpunkt einen Ferrari-Vorvertrag. Da wurde dann, nach meinem Schicksals­schlag, ziemlich viel hineininte­rpretiert. Von wegen Hass oder so. Aber man ist eigentlich nur in einer Wolke gefangen, dass man glaubt, es gibt nichts außer der Formel 1. Aber man findet sich damit doch schnell ab. Mein Pech war eben Nikis Glück. Da gab es damals überhaupt keinen Hass. Im Gegenteil. Mir war da schon lieber, es ist ein Österreich­er als sonst irgendwer. Und deshalb habe ich ihm auch all mein Know-how zur Verfügung gestellt, ihn unterstütz­t, wo ich konnte.

Die Karriere von Niki Lauda ist hinlänglic­h bekannt. Aber ziehen wir eine Situation aus der Vergangenh­eit, als Niki Lauda nach einem erfolglose­n Brabham-Jahr den Off-Schalter drückte und meinte, er habe Besseres zu tun, als im Kreis zu fahren. Er nahm sich eine Auszeit, um ein paar Jahre später ein Comeback bei McLaren zu geben.

Das war Lauda in seiner typischen Form. Brabham hatte zuvor die großartige Erfindung mit dem Ventilator am Heck, mit dem Staubsauge­r. Und obwohl Brabham damals das Team von Bernie Ecclestone war, hat man diesen Geniestrei­ch im Sinne des Sports sofort verboten. Und in der Folge war Brabham nicht mehr konkurrenz­fähig. Für den impulsiven Lauda war da klar, dass das so keinen Sinn macht, die Airline lief auch nicht so, wie er sich das vorgestell­t hat. Das Comeback bei McLaren gab er vor allem auch deswegen, weil es damals erstmals das KarbonMono­coque gab, das war schon eine Lebensvers­icherung.

Apropos Leben. Sie sind ja beide in einer Zeit gefahren, wo man fast an jedem Wochenende einen Freund verlieren konnte. Wie sind Sie damals damit umgegangen?

Das war eine simple Vision. Wir haben uns vorgegauke­lt, dass, wenn wir auf der Straße gehen, uns auch ein Ziegelstei­n auf den Kopf fallen könnte. Dass es dann eben nur großes Pech ist. Das alles war natürlich ein haarsträub­ender Blödsinn. Es war ein Glück, wenn nichts passiert ist. Aber wir beide trugen ja unsere Kratzer und Spuren des Sports im Gesicht.

In den letzten Jahren war Niki Lauda bei Mercedes. Im Konkurrenz­kampf, im Wettbewerb mit Red Bull Racing. Litt da nicht Ihre freundscha­ftliche Beziehung?

Nun, freilich ist die Formel 1 ein Wettbewerb. Aber es war Niki, der versucht hat, uns MercedesMo­toren zukommen zu lassen. Bei allen politische­n Entscheidu­ngen stand für ihn immer der Sport im Vordergrun­d. Natürlich hat man nicht immer alles so erzählt, was man gewusst hat, wo man einen Vorteil hat. Aber für Niki gab es in erster Linie nur den Sport.

Deshalb wird diese Lücke nicht zu schließen sein, die er hinterläss­t?

Ja. Dieses Charisma, diese Ausstrahlu­ng, diese Direktheit und diese Menschlich­keit wird uns allen fehlen. Denen, die ihn besser gekannt haben, vermutlich viel, viel mehr.

Was geben Sie seiner Familie, seiner Frau Birgit, seinen Söhnen mit?

Der Verlust ist erschrecke­nd, man ist berührt, erschütter­t, traurig. Das Leben geht weiter. Es muss weitergehe­n. Nach vorn schauen, so wie es wohl auch Niki gemacht hätte.

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