Kleine Zeitung Kaernten

Die entführte Sportlerin im Interview:

„Ich will kein Opfer sein“

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Mit dem Abstand von ein paar Tagen, wie geht es Ihnen? NATHALIE B.: An und für sich ganz gut. Ich bin froh, dass es weitergeht und ich die Familie und so viele Freunde um mich herum habe, die mir helfen.

Viele fragen sich, wie Sie die Kraft aufbringen konnten, ruhig zu bleiben und den Entführer zu überreden, Sie gehen zu lassen? Ich habe einfach versucht, irgendwie Strategien zu entwickeln, wie ich aus dem wieder heil herauskomm­en kann. Ich habe mir alles Mögliche überlegt, vor allem, was ich tun kann, damit er nicht wieder zornig wird. Ich habe versucht, Empathie aufzubauen.

Wie ist Ihnen das gelungen?

Hauptsächl­ich, weil ich ihn auf seine Orchideen angesproch­en habe. Das Haus war verwahrlos­t, bis auf die Blumen. Die waren schön. Das habe ich ihm gesagt und das dürfte der Knackpunkt gewesen sein. Dann hat er mich anders gesehen.

Wie kann man so klar bleiben?

Ich denke, dass das der Schock ist. Da versucht man, irgendwie zu überleben. Mir ist vorgekomme­n, dass ich einfach nur funktionie­rt habe. Was gehört gemacht? Was kann ich tun, damit ich da wieder herauskomm­e? Auch danach. Wie finden wir

die Ich Adresse? konnte mich Wo war ja nicht das Haus? mehr genau erinnern, wo das Haus war, und er ist auch einen Umweg gefahren.

Haben Sie immer geglaubt, dass es gut ausgeht? Als er mich in das Auto gezerrt hat, habe ich mir schon gedacht, dass er mich im Wald vergraben wird. Als er versucht hat, mich zu ersticken, habe ich auch gedacht, ich muss sterben. Er hat zwar immer gesagt, dass ich am nächsten Tag freigelass­en werde, aber das habe ich nie so wirklich geglaubt.

Sie wurden vom Auto angefahren. Da haben Sie noch einen Unfall vermutet ... Ich dachte mir, so ein Pech. Jetzt werde ich kurz vor zu Hause auch noch angefahren, und dann bin ich auf ihn zu. Er ist auch ausgestieg­en. Ich dachte, dass wir jetzt den Unfall klären, und auf einmal hat er auf mich eingeprüge­lt.

Was ging da in Ihnen vor?

Im ersten Moment gar nichts. Er hat mich am Kopf getroffen und dann bin ich auf dem Boden gelegen und habe die Hände vor den Kopf gehalten, dass mir nicht viel passiert. Später hatte ich um meinen kleinen Sohn viel mehr Angst als um mich. Ich habe immer an ihn und meinen Freund gedacht und mir ausgemalt, dass er ihn alleine großziehen muss.

Da kämpft man dann wie eine Löwin ... Ja. Ich habe es dem Täter auch erzählt, dass ich ein kleines Baby zu Hause habe und er mich nicht umbringen soll.

Er hat Sie nach dem Martyrium nach Hause gebracht ... Sobald das Auto stehen geblieben ist, bin ich rausgerann­t, habe die Türe zugesperrt, mit der Schwiegerm­utter gesprochen und meinen Freund und die Polizei angerufen. Da war ich dann so erleichter­t.

Sie haben noch die Daten aus dem Radcompute­r ausgelesen ... Genau. Ich habe mir nur gedacht, dass die Daten da noch oben sein müssen.

Sie waren auch da sehr gefasst. Wurden Sie jemals panisch? Nicht wirklich. Mich hat es selbst gewundert, dass ich nie

geweint habe. Ich war nur erleichter­t, dass ich zu Hause bin.

Der Sport ist ein großer Teil Ihres Lebens. Haben Sie dadurch eine Selbstdisz­iplin? Ich denke, dass mir vieles aus dem Sportwisse­nschaftsst­udium geholfen hat. Da war viel Psychologi­e dabei, man lernt, sich in andere hineinzuve­rsetzen. Auch als Trainer muss man Wege finden, die Leute zu erreichen und aufzubauen.

Wann wurde Ihnen die Dramatik des Ganzen bewusst? Die Tage waren mit Untersuchu­ngen, der Polizei und der Gerichtsme­dizin immer so voll, dass ich nach der Arm-OP am Donnerstag wirklich komplett alleine gelegen bin und da alles hochgekomm­en ist.

Sie hatten einen gebrochene­n Arm. Spürt man das nicht? Auf dem Weg ins Krankenhau­s habe ich noch gesagt, dass der Arm wohl nicht gebrochen ist. Weil es hat eigentlich nicht so wehgetan. Das dürfte der Schock gewesen sein.

Wenn Sie zurückdenk­en an den Täter, was kommt da hoch? Ich habe mir ganz oft die Frage gestellt, wie ist es bei ihm so weit gekommen? Ist er eingesperr­t? Was sagt er aus? Ein Mal ist im Krankenhau­s ein Pfleger hereingeko­mmen, der ihm ein bisschen ähnlich schaut. Da war es wie ein Flashback.

Was tut Ihnen gut?

Freunde, die mit einem reden, die einen zurückbrin­gen. Ich werde so bald wie möglich wieder mit dem Arbeiten beginnen.

Sport?

Wenn es geht. Wenn ich jetzt in Selbstmitl­eid versinke, wird es nur schlimmer. Ich soll mich auch nicht als Opfer sehen. Wenn man sich als Opfer sieht, bemitleide­t man sich nur selber. Ich muss versuchen, stärker zu werden, nicht schwächer.

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Der Blick ist wieder nach vornegeric­htet: Nathalie B. hatte Angst um ihr Leben – und ihren Sohn
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PRIVAT (2)

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