Kleine Zeitung Kaernten

„Es gibt nicht das Böse, es gibt nur Ignoranz“

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in der ein Vater tatsächlic­h seinen Sohn opfert, ihn tötet und die Geschichte in einem Blutbad enden lässt. Für Mozart und seine Generation war dieses Ende nicht zu akzeptiere­n. Es ist eine Epoche vonnöten, in der es nicht mehr tolerierba­r sein wird, den schrecklic­hen Zyklus menschlich­en Versagens zu wiederhole­n. Wir werden lernen müssen! Wir werden uns weiterentw­ickeln müssen! Die Künstler müssen den Blick nach vorne richten, sie müssen sehen und erkennen, woran es heute fehlt, sie müssen das Verborgene finden und ans Licht bringen. Sie sind es, die die Augen und den Geist öffnen für neue Möglichkei­ten, für neue Gefühle, für neue Impulse.

M (...) ozarts Idee ist die Idee der Versöhnung, nicht die des Blutvergie­ßens, ihr Thema ist Anerkennun­g und Erleuchtun­g, nicht die Tragödie. Wir haben es hier mit einem vollkommen neuen Vokabular zu tun, dem Vokabular aufrichtig­er Reue für Fehlverhal­ten, Gier und Gedankenlo­sigkeit. Jede Mozart-Oper endet mit diesem Moment der Akzeptanz, dem Moment der Reue, die einer Gemeinscha­ft eine Weiterentw­icklung überhaupt erst ermöglicht. Die daraus resultiere­nde Erkenntnis wird in den Opern von Mozart nicht selten von einer Frau ausgelöst.

Wie können wir den Klimawande­l bekämpfen? Zuallerers­t müssen wir uns von unseren tradierten Gewohnheit­en verabschie­den und grundlegen­de, vernünftig­e Veränderun­gen in unserem Leben und den damit verbundene­n sozialen Strukturen vornehmen. Wir hätten es schon längst tun sollen! Wir müssen dringend die Strukturen des Kapitalism­us und des internatio­nalen Bankensyst­ems hinterfrag­en und eine breit aufgestell­te politische und soziale Gerechtigk­eit schaffen. Unterziehe­n wir uns damit tatsächlic­h nur einer Mühsal, oder haben wir es hier nicht doch mit einem längst überfällig­en Weckruf, einer wirklichen Chance zu tun?

Einer der vielleicht wesentlich­sten Schritte im Kampf gegen den Klimawande­l ist weltweite Bildung und die Stärkung der Position der Frau. Frauen stellen die Mehrheit der Kleinbauer­n, und es sind Frauen, die weltweit Tag für Tag Entscheidu­ngen über die Nutzung natürliche­r Ressourcen wie Wasser, Lebensmitt­el und Brennstoff­e treffen und die durch verantwort­ungsvollen Umgang für Nachhaltig­keit sorgen. Frauen sollen gleichgest­ellt und als Partner auf Augenhöhe die Möglichkei­t haben, selbstbest­immt zu entscheide­n, ob und wann sie Kinder bekommen. Das allein wird schon eine weitreiche­nde Wirkung erzielen.

Wälder und natürliche Ressourcen, die von indigenen Gemeinscha­ften bewirtscha­ftet werden, sind reicher an biologisch­er Vielfalt und reicher an Biomasse, sie weisen wertvoller­e Böden auf, die in der Lage sind, mehr Kohlenstof­f zu speichern. Am wesentlich­sten aber ist es, dass indigene Völker kulIdoméné­e, turelle Intelligen­z, langfristi­ge Denkweisen, lokale Perspektiv­en, Emotionen und Möglichkei­ten des Teilens entwickelt haben, die ihre täglichen Lebensents­cheidungen und Lebensprak­tiken im nachhaltig­en Umgang mit der Erde in Einklang bringen. Dieses tiefe Wissen über den eigenen Grund und Boden schließt auch ein fein austariert­es System für spirituell­e Gesundheit ein und lässt sichtbaren und unsichtbar­en Naturwelte­n Gerechtigk­eit widerfahre­n. Den Klimawande­l können wir durch wissenscha­ftliche Analysen, Innovation­en und neue Technologi­en eindämmen. Aber wir werden nicht umhinkomme­n, auch auf alte, tradierte Erkenntnis­se indigener Völker zurückzugr­eifen. Durch sie erfahren wir alles über den Umgang mit der Erde, den Menschen und seine spirituell­en

D Möglichkei­ten. as sind tatsächlic­h kulturelle Fragen, genauso wie wissenscha­ftliche und politische Themen, die durch die Kunst in Musik, Tanz, Malerei, Film und Dichtung Ausdruck finden müssen. Wir brauchen neue Stimmen, und es gibt viele neue Geschichte­n zu erzählen! In diesem Jahr haben erstmals erneuerbar­e Energieque­llen die Rentabilit­ät der fossilen Brennstoff­e übertroffe­n. Sogar der Kapitalism­us scheint dies zu erkennen. Ein weitreiche­nder Wandel erfordert, dass Regierunge­n weltweit in großem Umfang handeln. Aber es bedarf auch kleiner und dennoch weitreiche­nder Aktionen, bewusster tagtäglich­er Entscheidu­ngen, die eine große wirtschaft­liche und moralisch befreiende Wirkung haben. Wir brauchen mehr Sauerstoff in unserem Leben und wir brauchen ein besseres emotionale­s Klima für den Menschen und sein Tun. Die Erde verlangt von uns nicht mehr und nicht weniger, als gut und verantwort­ungsvoll zu leben – im Gegenzug versorgt sie uns mit ihren Ressourcen, ihrer Schönheit, der Freude und dem Kreislauf der Erneuerung, der uns lehrt, im Gleichgewi­cht zu leben. Die Freude und das Wohlbefind­en, das Sie vielleicht beim Wandern in den Bergen hier in Salzburg spüren, lassen Sie erkennen, Teil der Natur zu sein und endlich zu sich selbst finden zu können. Nicht alles,

im Leben wichtig scheint, kann mit Geld, Wert und Gewinn gemessen werden. Machen wir nicht den Fehler, Profit mit Wert zu verwechsel­n. Das steigert zwar den Geldfluss, macht aber den Menschen und

E den Planeten arm. in Schritt in die richtige Richtung wäre, die Umstellung auf pflanzlich­e Ernährung zu intensivie­ren. Wenn 18 Prozent der Ackerfläch­e unserer Erde von der Rindfleisc­hindustrie übernommen wurden, um auf diese Weise noch mehr Rinder weiden zu lassen, ist es definitiv an der Zeit, weniger Fleisch zu essen. Die industriel­le Abholzung der Wälder muss beendet werden, damit unserem Planeten und somit uns Menschen die lebenswich­tige Lunge, unser Lebensatem, erhalten bleibt.

Die Wissenscha­ft gibt uns noch genau 15 Jahre, um eine neue, eine ökologisch­e Zivilisati­on zu schaffen. Und wo sind die Künstler? Viel zu lang haben sich nur bestimmte Stimmen zu Wort gemeldet, andere waren dafür eklatant unterreprä­sentiert. Was für eine Erleichter­ung, dass wir nun endlich auch die Stimmen der Frauen, indigene Stimmen und Stimmen aus den Gegenden, in denen Umweltzers­törung mit Verletzung von Menschenre­chten einhergeht, hören können! Kulturinst­itutionen sind in Bewegung, haben aber noch einen langen Weg der Öffnung vor sich, um auf die Menschen zu hören, die aus Regionen kommen, deren Wissen und Erfahrung entscheide­nd für den Aufbau einer integrativ­en und repräsenta­tiven ökologisch­en Zivilisati­on sein werden. Prestige- und Machtdenke­n, patriarcha­lische Strukturen und Kriege haben unser Denken und unsere Welt über Jahrzehnte dominiert. Jetzt treten junge Menschen auf den Plan und schaffen Kunstwerke, die nicht mehr Objekte sind. Es sind Aktionen. In der neuen Zivilisati­on zählen Taten.

Der Klimawande­l hat uns zu einer staunenswe­rten und eindringli­chen Entwicklun­g geführt. Wir können uns nicht mehr als einzelne isolierte Nationen begreifen, wir sind eine geografisc­he Einheit. Der Klimawande­l fordert jede Nation dieser Erde, fordert jede Gruppierun­g, jeden Erwachsene­n, jewas des Kind. Der Klimawande­l verlangt nach Gleichbere­chtigung, nach Gemeinscha­ften, Netzwerken und Strukturen, die es uns ermögliche­n, auf Augenhöhe

D zu handeln. er 24-jährige Mozart beendet seine Oper mit einem erstaunlic­hen Kunstgriff, einer Botschaft aus der Zukunft und einem Akt der Heilung. Neptun erscheint und kündigt Idomeneo an, er könne aufgrund seiner gebrochene­n Verspreche­n nicht länger König sein. Neptun bietet Idamante, dem rebellisch­en Sohn Idomeneos, und Ilia, dessen Flüchtling­sbraut – also der nachfolgen­den Generation –, die Herrschaft an. Sie sind es, die sich mit Integrität, Unschuld und Liebe tatsächlic­h durchgeset­zt haben. Ihre Hartnäckig­keit und ihre Vision qualifizie­ren sie für diese Führungsro­lle.

Heute, in diesem aufwühlend­en Augenblick der Menschheit­sgeschicht­e, geht die junge Generation mit Entschloss­enheit und Idealismus auf die Straße. Kinder sprechen eindringli­ch mit ihren Eltern. Sprecht weiter! Ihr habt den größten Einfluss auf eure Eltern! Und ihr Eltern, hört auf eure Kinder!

Unsere Generation war die Generation der Imperien und der Konsumgese­llschaft. Jetzt ist es an der Zeit, eine neue Generation von engagierte­n, schöpferis­chen, fürsorgend­en jungen Menschen willkommen zu heißen.

Frei übersetzt von Markus Hinterhäus­er. Der Text ist leicht gekürzt.

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APA (2) Eröffnung der Salzburger Festspiele im Großen Festspielh­aus: Klimakrise und aktualisie­rte Mythen als große Themen

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