Gott ist nicht sehr sympathisch
Wo sind „Die Verschwundenen vom Mondscheinpalast“?: Ophelia mischt den Pol auf.
Sehr geschickt, wie die Französin Christelle Dabos das angeht. Im ersten Band ihrer vierteiligen Fantasy-Saga „Die Spiegelreisende“schickt sie Ophelia von der lieblichen Arche Anima auf die frostige Arche Pol, wo sie Thorn (der hat Drachenkrallen an den Nervenenden) heiraten soll. Jetzt liegt der zweite Band in deutscher Übersetzung (Amelie Thoma) vor und man fragt sich bald: Ist diese Zweckehe jetzt ein diplomatischer Schachzug der Doyennen, die auf Anima den Ton angeben? Oder eine durch und durch korrupte Partie? Dazu muss man jetzt wissen: Die Erde ist in etliche Archen zerborsten, die um einen Feuerkern kreisen. Ophelia kann durch Spiegel reisen und die Vergangenheit von Gegenständen lesen. Außerdem trägt sie einen überaus lebhaften Schal. Band eins endet mit einem Cliffhanger, Band zwei ebenso.
Es bleibt spannend, Dabos lässt ihrer überbordenden Fantasie freien Lauf, fesselt
mit ihrer magischen neuen Welt. Witz und Ironie wohnen weiterhin in Details: Der Familiengeist Faruk (so vergesslich, dass er einen Erinnerungsmanager braucht!) ernennt die Leserin Ophelia zur Vizeerzählerin im Mondscheinpalast. Die Nihilisten, die Illusionisten, die Miragen – alles Familienclans.
Dann verschwinden der Chefredakteur des Boulevardblatts, ein hoher Beamter, ein Diplomat im Labyrinth der vorgespiegelten Tatsachen. Zu schön, wenn daran die Sanduhren schuld wären, die erotische Genüsse versprechen. So einfach macht es die Autorin ihrer Heldin nicht. Als Ophelias Verlobter die Geächteten zurück an den Hof holen will, überschlagen sich die Ereignisse. Für zusätzliches Rätselraten sorgen „Fragmente der Erinnerung“zwischen den Kapiteln. Bis Ophelia tatsächlich noch Gott trifft. Der ist ein Zniachtl, redet im Kauderwelsch und ist ein echter Unsympathler.