Historikerbericht der FPÖ: Vorerst gibt es nur eine Kurzfassung.
Die Freiheitlichen wollen die Debatte um den Ursprung ihrer Partei unter ehemaligen Nationalsozialisten aus dem Wahlkampf halten – statt eines Historikerberichts veröffentlichen sie die Kurzfassung einer Rohversion.
Prioritäten einer Partei im Wahlkampf: Als die Freiheitlichen am Montagvormittag ihre Kandidatenliste für die Nationalratswahl bei der Bundeswahlbehörde einreichen, lachen die beiden Spitzen der Partei, Norbert Hofer und Herbert Kickl, selbstbewusst in die Kameras. Als es am späten Nachmittag um die Geschichte der Partei, um die Ergebnisse der seit Langem angekündigten Historikerkommission geht, fehlt derartige Prominenz: Gerade einmal Christian Hafenecker, einer der beiden Parteisekretäre, stellt sich vor die Kameras und Mikrofone.
Gemeinsam mit Wilhelm Brauneder, ehemals Dritter Nationalratspräsident und Professor für Rechtsgeschichte an der Universität Wien, und Andreas Mölzer, langjähriger Abgeordsozialisten
und Parteiideologe, veröffentlicht Hafenecker aber nicht den rund 1100 Seiten starken Rohbericht der Kommission – sondern nur eine gerade einmal 24-seitige Kurzfassung des unfertigen Berichts, ein Inhaltsund Autorenverzeichnis. Den ganzen Bericht, an dem 16 Historiker nun 16 Monate lang gearbeitet haben, wolle man veröffentlichen, wenn er „fertig redigiert“ist – was noch eine Weile dauern werde: Bis zur Wahl dürfe man wohl nicht mehr damit rechnen, heißt es aus der Partei, unter anderem sollten noch israelische Forscher die Kapitel über Antisemitismus und die Haltung der FPÖ zu Restitution prüfen.
„Man wirft uns immer vor, nicht wissenschaftlich zu arbeiten“, sagt Hafenecker, also nehme man sich nun die Zeit, zu prüfen, „Erkenntnisse in entsprechende Form zu bringen und dann zu präsentieren.“
Was dabei herauskommt, nimmt Brauneder aber schon vorweg: „Die FPÖ ist eine Partei wie nahezu jede andere.“Und was dabei nicht herauskommt – Mölzer, deftig: „Dass Heinrich Himmler aus dem Grab heraus die FPÖ gegründet hat.“
Was die Kurzfassung für den Gesamtbericht verspricht, geht dann aber doch noch detaillierter in die Geschichte der Freiheitlichen und ihres Vorläufers, des „Verbands der Unabhängigen“(VdU) ein: „Die personellen Berührungspunkte (mit der NSDAP) waren mit Sicherheit größer als bei den anderen Parteien“, heißt es da, und in Teilen der Programme sowie in Redebeiträgen seien „durch teilweise an NS-Terminologie angelehnte Wortwahl immer wieder Signale an ehemalige Nationalsozialisten als potenzielle Wähler gesendet worden“.
Fazit: Die FPÖ sei keine direkte Nachfolgerin der Nationalneter – aber Nazis fanden den Weg in ihre Führungsgremien. Dadurch seien diese aber nach dem Krieg in die demokratische Gesellschaft geführt worden, „daher sollte die Geschichte der FPÖ (...) als wichtiger Beitrag zur Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik gewürdigt werden“.
Der Großteil des – wie gesagt vorerst unveröffentlichten – Rohberichts wird sich auch um den Übergang von der NSDAP zum
VdU zur FPÖ drehen – welche Personen wo Funktionen innehatten, wie sich politische Positionen fortsetzen oder änderten. Brauneder und sein Team haben dazu unter anderem Parteiarchive, das DÖW und deutsche Akten sowie Parlamentsprotokolle durchforstet, in einem Gastbeitrag beleuchtet Historiker Stefan Karner das Dritte Lager aus Sicht der Sowjetunion, auch der ehemalige Wiener Stadtschulratspräsident Kurt Scholz zeichnet die Geschichte des VdU nach.
Weitere, von der aktuellen Politik – etwa dem Auslöser der Kommission, der „LiederbuchAffäre“– getriebene Kapitel befassen sich mit „Liedgut des Farbstudententums“, der Position von Ex-Parteichef HeinzChristian Strache zu Israel oder einer von Hafenecker selbst verfassten Sammlung an Vorwürfen gegen die Freiheitlichen – und deren Reaktionen darauf.