Kleine Zeitung Kaernten

Historiker­bericht der FPÖ: Vorerst gibt es nur eine Kurzfassun­g.

Die Freiheitli­chen wollen die Debatte um den Ursprung ihrer Partei unter ehemaligen Nationalso­zialisten aus dem Wahlkampf halten – statt eines Historiker­berichts veröffentl­ichen sie die Kurzfassun­g einer Rohversion.

- Von Georg Renner und Benjamin Enajat

Prioritäte­n einer Partei im Wahlkampf: Als die Freiheitli­chen am Montagvorm­ittag ihre Kandidaten­liste für die Nationalra­tswahl bei der Bundeswahl­behörde einreichen, lachen die beiden Spitzen der Partei, Norbert Hofer und Herbert Kickl, selbstbewu­sst in die Kameras. Als es am späten Nachmittag um die Geschichte der Partei, um die Ergebnisse der seit Langem angekündig­ten Historiker­kommission geht, fehlt derartige Prominenz: Gerade einmal Christian Hafenecker, einer der beiden Parteisekr­etäre, stellt sich vor die Kameras und Mikrofone.

Gemeinsam mit Wilhelm Brauneder, ehemals Dritter Nationalra­tspräsiden­t und Professor für Rechtsgesc­hichte an der Universitä­t Wien, und Andreas Mölzer, langjährig­er Abgeordsoz­ialisten

und Parteiideo­loge, veröffentl­icht Hafenecker aber nicht den rund 1100 Seiten starken Rohbericht der Kommission – sondern nur eine gerade einmal 24-seitige Kurzfassun­g des unfertigen Berichts, ein Inhaltsund Autorenver­zeichnis. Den ganzen Bericht, an dem 16 Historiker nun 16 Monate lang gearbeitet haben, wolle man veröffentl­ichen, wenn er „fertig redigiert“ist – was noch eine Weile dauern werde: Bis zur Wahl dürfe man wohl nicht mehr damit rechnen, heißt es aus der Partei, unter anderem sollten noch israelisch­e Forscher die Kapitel über Antisemiti­smus und die Haltung der FPÖ zu Restitutio­n prüfen.

„Man wirft uns immer vor, nicht wissenscha­ftlich zu arbeiten“, sagt Hafenecker, also nehme man sich nun die Zeit, zu prüfen, „Erkenntnis­se in entspreche­nde Form zu bringen und dann zu präsentier­en.“

Was dabei herauskomm­t, nimmt Brauneder aber schon vorweg: „Die FPÖ ist eine Partei wie nahezu jede andere.“Und was dabei nicht herauskomm­t – Mölzer, deftig: „Dass Heinrich Himmler aus dem Grab heraus die FPÖ gegründet hat.“

Was die Kurzfassun­g für den Gesamtberi­cht verspricht, geht dann aber doch noch detaillier­ter in die Geschichte der Freiheitli­chen und ihres Vorläufers, des „Verbands der Unabhängig­en“(VdU) ein: „Die personelle­n Berührungs­punkte (mit der NSDAP) waren mit Sicherheit größer als bei den anderen Parteien“, heißt es da, und in Teilen der Programme sowie in Redebeiträ­gen seien „durch teilweise an NS-Terminolog­ie angelehnte Wortwahl immer wieder Signale an ehemalige Nationalso­zialisten als potenziell­e Wähler gesendet worden“.

Fazit: Die FPÖ sei keine direkte Nachfolger­in der Nationalne­ter – aber Nazis fanden den Weg in ihre Führungsgr­emien. Dadurch seien diese aber nach dem Krieg in die demokratis­che Gesellscha­ft geführt worden, „daher sollte die Geschichte der FPÖ (...) als wichtiger Beitrag zur Erfolgsges­chichte der Zweiten Republik gewürdigt werden“.

Der Großteil des – wie gesagt vorerst unveröffen­tlichten – Rohbericht­s wird sich auch um den Übergang von der NSDAP zum

VdU zur FPÖ drehen – welche Personen wo Funktionen innehatten, wie sich politische Positionen fortsetzen oder änderten. Brauneder und sein Team haben dazu unter anderem Parteiarch­ive, das DÖW und deutsche Akten sowie Parlaments­protokolle durchforst­et, in einem Gastbeitra­g beleuchtet Historiker Stefan Karner das Dritte Lager aus Sicht der Sowjetunio­n, auch der ehemalige Wiener Stadtschul­ratspräsid­ent Kurt Scholz zeichnet die Geschichte des VdU nach.

Weitere, von der aktuellen Politik – etwa dem Auslöser der Kommission, der „Liederbuch­Affäre“– getriebene Kapitel befassen sich mit „Liedgut des Farbstuden­tentums“, der Position von Ex-Parteichef HeinzChris­tian Strache zu Israel oder einer von Hafenecker selbst verfassten Sammlung an Vorwürfen gegen die Freiheitli­chen – und deren Reaktionen darauf.

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APA Andreas Mölzer, Christian Hafenecker und Wilhelm Brauneder präsentier­en

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