Ein Wunder namens Billie
Breiter, aber auch beliebiger: Das einstige Indie-Fest ist zum bunten Pop-Spektakel geworden. Eine vorläufige Bilanz des Frequency-Tages eins.
Es ist ein wahres Popwunder, das da auf der Bühne steht. Dass Billie Eilish erst 17 Jahre jung ist, merkt man ihr nur in der ersten Sekunde an, als sie (viel zu früh am Abend, geschuldet einem Booking-Coup noch vor ihrem Durchbruch) die Hauptbühne betritt. Und feststellt, wie viele Leute da sind, um sie zu sehen. Ein breites Grinsen blitzt ganz kurz auf. Gemessen am Andrang ist sie klare Headlinerin – kein Musiker, keine Musikerin der letzten Jahre wurde so in den Pophimmel gehypt wie sie. Zu unwiderstehlich ist ihre Mischung aus strahlendem Popsound und düsterer Attitüde, ihr gelangweilter Blick zum hippen Trap-Beat. Und doch: ein Teenie-Popstar, auf den so wohl niemand gewettet hätte.
Wie unaufgeregt die Show daherkommt, überrascht dann dennoch: kein Schnickschnack, kaum Make-up, keine Tänzer, nur ein paar Videos als Untermalung. Die Band (mit dabei: Bruder Finneas O’Connell) ist
ganz in Weiß gekleidet, während Billie einen grünen Basketball-Dress trägt. Ihr Set startet sie mit „Bad Guy“und Gekreische, das Songmaterial reicht gerade, um ein Konzert zu füllen. Zur Auflockerung werden ein paar Publikumsspielchen eingestreut, weil man das halt so macht am Festival. Wie gesagt, unaufgeregt, aber gerade darin zeigt sich die Qualität der Sängerin: Um damit 90 Minuten lang die unsteten Millennials bei der Stange zu halten, dafür muss man schon etwas können. Und etwas an sich haben, das einen echten Star ausmacht.
Tag eins startete gestern bei strahlendem Sonnenstein, Badenixen (m/f) in der kühlen Traisen und Glitzer im Gesicht. Den musikalischen Anfang machte Hugel – überraschenderweise, hatte der französische Produzent mit seinem Remix des alten Partisanenlieds „Bella Ciao“doch einen der ganz großen Sommerhits des Vorjahres gelandet. Das Vorprogramm konnte kontrastreicher kaum sein: Die Green Stage, die gestern im Zeichen des Hip-Hops stand, verwandelte Finch Asozial („Deutschrap als wandelndes Herrengedeck“, schreibt die „Zeit“) in eine Dorfdisco, thematisch ging es um F... und W... und P... und – endlich unzensuriert wiedergebbar – Bratwurst und Bier.
Auf der „Space Stage“, der Hauptbühne, wärmten die Singer-Songwriter Jeremy Loops aus Kapstadt (nett-belanglos) und Dermot Kennedy aus Dublin (kraftvoll) das Publikum auf.
Daneben gibt es das ganze Festival über zahlreiche nichtmusikalische Vergnügungen, von Sport bis Spaß und wieder retour: Angebote wie eine „Silent Disco“, die Weltmeisterschaft im „Flunkyball“(irgendetwas mit Alkohol und einem Ball), „Techno Yoga“und ein Twerk-Workshop (professionelles Popo-Wackeln) wurden dankbar angenommen.
Was an der 19. Frequency-Ausgabe auffällt, ist neben den Bemühungen um ein „grünes“Festival die Breite: Wurden Mainstream-Künstler wie Macklemore beim ehemaligen Indieund Alternativefest vor ein paar Jahren noch auf einen vorgeschobenen Extratag bugsiert, sind sie heuer sogar tonangebend: gestern Nacht noch Sunrise Avenue und Twenty One Pilots, heute Swedish House Mafia, morgen Macklemore und Dimitri Vegas & Like Mike. Auch wenn manche hier Beliebigkeit kritisieren, der Erfolg gibt den Veranstaltern recht: Die Festivalpässe waren seit Monaten vergriffen.