Ärger am Gartenzaun
Bäume, Sträucher und Hecken am Grund des Nachbarn sorgen immer wieder für Streit. Experten informieren über Ihre Rechte.
1 Der Bambus unseres Nachbarn wuchert in unseren Garten hinein. Mein Nachbar weigert sich,eineRhizomsperrezu errichten. Gibt es dagegen rechtlich eine Handhabe?
ANTWORT: Derartige Pflanzen bilden dicke, meterlange Wurzelstränge, die mit vernünftigem Aufwand kaum beherrschbar sind. Nach der juristischen Einschätzung des Rechtsanwalts Wolfgang Reinisch gibt es in diesem Fall einen aus dem Paragrafen 364, Absatz 2, des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) ableitbaren Unterlassungsanspruch gegen den Nachbarn. Dieser hat daher durch geeignete Maßnahmen – etwa durch Anbringung einer ausreichenden Rhizomsperre – dafür zu sorgen, dass es zu keiner weiteren Ausbreitung der Bambuspflanzen und ihrer Wurzeln auf das Grundstück des Nachbarn kommt. „Darüber hinaus wird man gegenüber dem Nachbarn Anspruch darauf haben, dass jene Wurzelwucherungen, die sich bereits bisher auf dem eigenen Grundstück gebildet haben, auf Kosten des Nachbarn vollständig entfernt werden.“
2 Unser Nachbar setzt seine Sträucher ganz nahe am Zaun. Gibt es einen Mindestabstand, den er einhalten muss?
ANTWORT: Grundsätzlich ist der Eigentümer eines Grundstückes, wie Reinisch betont, in dessen Nutzung nicht eingeschränkt. Bei der Pflanzung von Sträuchern oder Bäumen in Grenznähe sei nur zu beachten, dass sich das Pflanzloch zur Gänze auf dem eigenen Grundstück befinden muss und dass auch die Krone eines Baumes oder die Zweige eines Strauches zum Zeitpunkt der Pflanzung nicht in das Grundstück des Nachbarn hineinragen dürfen. „Wenn später Wurzeln der Pflanze beziehungsweise Äste oder Zweige in das Nachbargrundstück hineinwachsen, gilt gemäß Paragraf 422 ABGB das Selbsthilferecht: Jeder Eigentümer darf die in seinem Luftraum hängenden Äste eines fremden Baumes abschneiden oder sonst benützen. Er hat dabei fachgerecht vorzugehen und die Pflanze möglichst zu schonen. Die Kosten für die Entfernung hat der beeinträchtigte Grundeigentümer selbst zu tragen.“
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Die Kletterpflanzen des Nachbarn ruinieren unseren Maschendrahtzaun. Er will sie aber partout nicht entfernen. Kann man ihn rechtlich dazu zwingen?
ANTWORT: Nach der einhelligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist zu unterscheiden, ob es sich bei den Pflanzen des Nachbarn um „normale Sträucher“oder um Kletterpflanzen handelt. „Bei Kletterpflanzen, die zwangsläufig unter Zuhilfenahme des Zaunes hochranken, besteht ein Unterlassungsanspruch gegenüber dem Nachbarn. Die Rechtsprechung sieht dies als unmittelbare Zuleitung an, die im Sinne des Paragrafen 364, Absatz 2, ABGB jedenfalls untersagt werden kann“, erklärt Reinisch. Die Entfernung der Kletterpflanzen werde daher gegenüber dem Nachbarn durchgesetzt werden können.
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Die Lärche unseres Nachbarn wächst schief. Der Stamm ragt in einer Höhe von etwa einem Meter schon in unser
Grundstück hinein. Dürfen wir in dem Fall nicht nur die Äste, sondern den ganzen Stamm abschneiden?
ANTWORT: Weder dem Gesetz noch der bisher vorliegenden Rechtsprechung beziehungsweise Literatur ist laut Reinisch eindeutig zu entnehmen, wie vorzugehen ist, wenn die Ausübung des Selbsthilferechtes im Sinne des ABGB dazu führt, dass die Pflanze sicher abstirbt. (Zum Selbsthilferecht siehe Antwort Nummer 2). „Nach meiner Einschätzung dürfte das Selbsthilferecht in einem solchen Fall trotzdem ausgeübt werden, da das Eindringen von Pflanzen vom Nachbargrund aus nicht geduldet werden muss“, erklärt der Jurist. Schließlich erscheine auch ein Nachbar, der einen Baum derart knapp an der Grundstücksgrenze setzt, dass in der Folge der gesamte Stamm in das Nachbargrundstück hineinwächst, nicht wirklich schutzwürdig. Wichtig zu wissen sei aber, wie der Anwalt betont, dass man beim Abschneiden des Stammes keinesfalls in den Luftraum über dem Nachbargrundstück eindringen darf. Soll heißen: „Wenn Sie einen waagrechten Schnitt setzen, dann erst in jener Höhe, in der sich der Stamm komplett im Luftraum über dem eigenen Grundstück befindet.“
5 Wodurch kann das Selbsthilferecht, nach dem man den Überhang von Pflanzen des Nachbarn einfach kappen darf, eingeschränkt werden?
ANTWORT: „Zu beachten sind bundes- und landesgesetzliche Regelungen über den Schutz von oder vor Bäumen und anderen Pflanzen, insbesondere über den Wald-, Flur-, Feld-, Orts-, Feldbild-, Natur- und Baumschutz“, sagt Reinisch dazu. Insbesondere sei in diesem Zusammenhang das Forstgesetz zu beachten, wenn das Nachbargrundstück als Waldfläche zu qualifizieren ist oder etwa die Grazer Baumschutzverordnung. In diesen Fällen dürfe das Selbsthilferecht nicht bzw. nur unter der Beachtung der dort gesetzten Grenzen ausgeübt werden.
6 Auf dem Spielplatz, der zur Wohnanlage von zehn Miteigentümern gehört, steht ein Baum, von dem bei Sturm immer wieder Äste herunterfallen. Wer haftet für Schäden, wenn hier einmal etwas passiert?
ANTWORT: Wenn der Spielplatz den Wohnungseigentümern gehört, sind diese auch die Eigentümer des Baumes. „Die Haftung für schuldhaft verursachte Schäden, die etwa durch herabfallende Äste verursacht werden könnten, trifft die Gemeinschaft der Eigentümer“, sagt Reinisch. Dabei sei zu berücksichtigen, dass dann, wenn etwa durch einen starken Sturm Teile eines gesunden Baumes herabfallen oder der Baum selbst umstürzt, kein Verschulden der Eigentümer vorliegen wird. „Stürzt jedoch ein bei pflichtgemäßer Sorgfalt erkennbar kranker Baum um oder fallen erkennbar kranke Baumteile herab, so sind die daraus resultierenden Sach- oder Personenschäden von der Eigentümergemeinschaft zu tragen.“