Kleine Zeitung Kaernten

Was aus dem 12-Stunden-Tag wurde

Von massiven Protesten begleitet trat vor einem Jahr das neue Arbeitsges­etz in Kraft. Wie hat es sich auf die Arbeitswel­t ausgewirkt?

- Von Larissa Eberhardt

Retten, reinigen, schulen, sichern – der Beruf von Tobias F. (Name der Redaktion bekannt) ist vielseitig. Seit eineinhalb Jahren ist der 30-jährige Industriek­letterer. Schon vor der Einführung des 12-Stunden-Tages waren seine Arbeitszei­ten unregelmäß­ig und stark vom Wetter abhängig.

Mit dem Inkrafttre­ten des Gesetzes gab es für Tobias viele Veränderun­gen. Sein eigener Betrieb achte nach wie vor darauf, dass keine Überstunde­n gemacht werden. Bei Betrieben, die ihn und seine Kollegen extern buchen, sehe das leider oft anders aus. „Manche Firmen nutzen das extrem aus und bestellen uns direkt für zwölf Stunden. Wenn dann auch noch eine Anfahrt von einer Stunde dazukommt, dann leidet das Privatlebe­n.“

Bei manchen Aufträgen in der Industrie sind 12-Stunden-Tage über mehrere Wochen für Tobias Standard. „Die Arbeiter dort arbeiten in 10- und 12-Stundensch­ichten. Wir müssen dann bei solchen Aufträgen rund um die Uhr vor Ort sein und die Sicherheit gewährleis­ten.“

Die Zahl von Arbeitsunf­ällen ist in den letzten Jahren gesunken. Anders als befürchtet, zeigen auch die Zahlen nach dem Inkrafttre­ten des Arbeitszei­tgesetzes keinen Anstieg. Auffällig ist jedoch, dass der Anteil

schwerer Verletzung­en in der elften und zwölften Stunde steigt.

Tobias liebt seinen Job, aber die stark schwankend­en Arbeitszei­ten beeinfluss­en das Private. Noch schwierige­r wird es dann, wenn Kinder dazukommen. Eine Studie von Deloitte Österreich zeigt, dass der 12-Stunden-Tag bereits in fast jeder dritten Firma in Österreich Realität ist. Die Vereinbark­eit mit der Familie bleibt da schnell auf der Strecke.

Problemati­sch ist, dass etwa in der Steiermark nur 20 Prozent der Gemeinden Kinderbetr­euungsplät­ze für eine Vollzeitar­beit der Eltern bereitstel­len, von 12 Stunden Arbeit pro Tag ganz zu schweigen. Dadurch werden Frauen zu den Verliereri­nnen der Regelung, berichtet Bernadette Pöcheim, Leiterin des Gleichstel­lungsrefer­ats der Arbeiterka­mmer (AK). Die Teilzeitqu­ote bei Frauen ist in den letzten Jahren stark gestiegen: Mittlerwei­le arbeitet fast jede zweite Frau in Teilzeit.

Sowohl bei der AK als auch beim Sozialmini­sterium blieb die befürchtet­e Flut an Beschwerde­n zur neuen Arbeitszei­tregelung aus. Dennoch erreichen ihn kontinuier­lich Beschwerde­n, erzählt uns Karl Schneeberg­er von der AK. Der Großteil davon bezieht sich auf die Freiwillig­keit der Überstunde­n und auf Gleitzeitv­ereinba

rungen. Beim Sozialmini­sterium sind bis dato lediglich 18 Beschwerde­n im speziell eingericht­eten Postfach eingegange­n.

„Dass die Anzahl der Beschwerde­n deutlich zurückgega­ngen ist, ist ja logisch“, kommentier­t Schneeberg­er, „die Grenzen wurden ja auch hochgesetz­t. Wenn man der Logik folgen will, könnte man ja auch alle Beschränku­ngen aufheben und hätte dann gar keine Beschwerde­n mehr.“

Ingrid Kuster von der WKO sieht die Gründe für die ausbleiben­de Beschwerde­flut an anderer Stelle. „Wir sehen, dass sich seit der Einführung des 12Stunden-Tages nichts Gravierend­es verändert hat. Für Unternehme­n ist es nicht zielführen­d, massive Überstunde­n anzuordnen, da diese zu hohen Mehrkosten führen.“Auch erreichen sie nur wenige Anfragen von Unternehme­n zum neuen Gesetz. „Arbeitszei­t“, so sagt sie, „ist bei uns einfach kein emotionali­siertes Thema.“Betroffene, wie Tobias, sehen das wohl anders.

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ADOBE STOCK „Dass die Anzahl der Beschwerde­n deutlich zurückgega­ngen ist, ist ja logisch“, sagt die AK. „Die Grenzen wurden ja auch hochgesetz­t“

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