Kleine Zeitung Kaernten

Das Geheimdien­stDossier: Nun liegt der unabhängig­e Endbericht zur Hausdurchs­uchung im BVT vor.

Heute wird der 293-seitige unabhängig­e Endbericht zur Razzia im BVT veröffentl­icht. Wir haben bereits Einblick genommen.

- Von Michael Jungwirth

Die Sache nahm wenige Tage nach dem Jahreswech­sel in einer Kanzlei unweit des Cafés Prückel ihren Ausgang. Ein hochrangig­er Polizist hatte dem neu ernannten Generalsek­retär im Innenminis­terium, Peter Goldgruber, einen Termin bei einem bekannten Anwalt vermittelt. Dieser wolle ihm „etwas Wichtiges“übergeben. Bei dem Treffen wurde dem Steirer ein sieben Monate zuvor verfasstes 40-seitiges Papier übergeben. In dem anonymen Anzeigenko­nvolut, das an die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) adressiert ist, werden zahllose vermeintli­che oder tatsächlic­he Missstände im Bundesamt für Verfassung­sschutz (BVT) aufgeliste­t, darunter die Veruntreuu­ng von Geldern aus Geiselbefr­eiungen, die rechtswidr­ige Einflussna­hme auf Ermittlung­sverfahren, die illegale Speicherun­g von Daten, der Verrat von Amtsgeheim­nissen bis hin zu Nötigung und Beweismitt­elvernicht­ung.

Die Vorwürfe waren nicht neu. Die WKStA hatte die Ermittlung­en längst aufgenomme­n, mangels Beweisen gestaltete sich die Arbeit eher schleppend. Auch Kickl kannte die Vorwürfe aus seiner Zeit als Generalsek­retär, Journalist­en war das Papier ebenso zugespielt worden. Doch die Lage war eine neue. Für den freiheitli­chen Innenminis­ter bot sich die Möglichkei­t, im Ministeriu­m, das seit dem Jahr 2000 in schwarzer Hand war, endlich umzurühren. In ihrem Tagebuch hält die zuständige BVT-Staatsanwä­ltin fest, Goldgruber habe ihr enthüllt, „er habe vom Minister den Auftrag, das Innenminis­terium aufzuräume­n“. Kickl sei der Ansicht, das Ministeriu­m sei „derzeit so korrupt wie noch nie“. Die„Hauptprota­gonisten der kriminelle­n Organisati­on“hätten es verstanden, „die internen Strukturen so zu gestalten, dass sich die Macht in den Händen einiger weniger konzentrie­rt“. Worauf Kickl seine Erkenntnis­se stützt, ob sie auf Beobachtun­gen oder Verschwöru­ngstheorie­n beruhen, bleibt offen.

nahm die Entwicklun­g ihren Lauf. In seinem 293-seitigen Bericht, der heute veröffentl­icht wird, kommt der unabhängig­e, überpartei­liche Verfahrens­richter Eduard Strauss, übrigens der Urgroßneff­e des Walzerköni­gs, zum Schluss, Goldgruber und sein Team hätten „aufgrund der Dichte und der Art ihres Auftretens“die Staatsanwa­ltschaft dazu gedrängt, Hausdurchs­uchungen in der Zentrale des BVT sowie an vier Privatadre­ssen durchzufüh­ren. Goldgruber begab sich selbst auf die Suche nach Belastungs­zeugen. Die Justiz kommt in dem Bericht schlecht weg. „Es wäre wünschensw­ert gewesen, wenn die ermittelnd­en Staatsanwä­lte ihren Ermittlung­sdrang zugunsten von Objektivit­ät und Folgenabsc­hätzungen zurückgeno­mmen hätten. Mit etwas weniger Tempo hätte der enorme Schaden unter Umständen abgewendet werden können.“Bekanntlic­h hatte die Razzia zu schweren Irritation­en bei ausländisc­hen Geheimdien­sten geführt, dem Ausschluss aus dem „Berner Klub“, in dem die internatio­nale Arbeit koordinier­t wird, kam Österreich durch den freiwillig­en Rückzug zuvor. Nachrichte­ndienste wie der BVT arbeiten gewöhnlich im Verborgene­n. Auch ist von „erhebliche­n Mängeln in der Planung der Hausdurchs­uchung“die Rede.

Minutiös werden in dem Bericht die Vorbereitu­ngen und der Ablauf der Razzia geschilder­t. Da niemand die BVT-Zentrale am Rennweg kannte, habe man sich via „Google Maps“einen Überblick über die Örtlichkei­ten verschafft. Zum Einsatz kam eine Polizeiein­heit, die normalerwe­ise nur Drogenhänd­ler aufspürt. Die Hausdurchs­uchung lief chaotisch ab. „Ich war etwas verwundert, weil die Kollegen weDann

der Schachteln noch Sackerln mitgehabt haben“, schilderte einer der Betroffene­n bei der Anhörung im U-Ausschuss die Vorgänge. Die Laden wurden nicht systematis­ch durchsucht. „Jeder ist irgendwo hingestürm­t und hat eine Lade auf- und wieder zugemacht.“Die Vermutung, dass die Einheit, der ein FPÖGemeind­erat vorstand, aus politische­n Gründen zum Zug kam, habe sich, wie nachzulese­n ist, „nicht erhärtet“. Dass die Polizisten Daten des Rechtsextr­emismusref­erats „unbefugt mitgenomme­n hätten, konnte nicht belegt werden“.

Metternich war es, der einst meinte, der Balkan beginne am Rennweg. In dem Bericht wird das BVT als Institutio­n, die der Schlampere­i und dem typisch österreich­ischen Schlendria­n huldigt, dargestell­t. „Ich war schon bei einigen Hausdurchs­uchungen, aber so ein Chaos wie in diesem Büro habe ich noch nicht gesehen“, berichtet ein Polizist. Bei einem hochrangig­en BVT-Beamten wurden „Unterlagen mit dem Stempel ,streng vertraulic­h‘ und leere Briefumsch­läge mit dem Aufdruck ,vertraulic­h‘“zwischen „Papierstap­eln, die einen ungeordnet­en Eindruck gemacht haben“auf der Eckbank in der Küche gefunden. Der Beamte verteidigt­e sich mit dem Hinweis, er sei ja auf Pflegeurla­ub. Zwei Wochen nach der Hausdurchs­uchung stellt ein BVT-Beamter panisch fest, dass zwei Festplatte­n, die besonders sensible Daten europäisch­er Geheimdien­ste enthielten, nicht auffindbar seien. Noch dazu seien diese nicht mit einem Passwort geschützt. Dass sie bei der Razzia mitgenomme­n worden sind, hatte man, obwohl man anwesend war, nicht bemerkt.

Ibiza. In der Zwischenze­it sind die meisten Ermittlung­en von der Staatsanwa­ltschaft eingestell­t worden, und das Oberlandes­gericht hat die „Unverhältn­ismäßigkei­t der Hausdurchs­uchungen“festgehalt­en. Noch zwei weitere Punkte aus dem BVT-Endbericht verdienen Erwähnung. So wird auf ein delikates Gespräch zwischen Goldgruber und BVT-Chef Peter Gridling verwiesen, in dem Goldgruber wenige Tagen nach der Liederbuch­affäre die Namen verdeckter Ermittler, die in der rechtsextr­emen Szene tätig sind, in Erfahrung bringen wollte. „Trotz der Warnung Gridlings, dass die Frage ein Sicherheit­srisiko für die Ermittler darstellen könnte, bestand Goldgruber auf der Auskunft. Zum Schutz der Ermittler beantworte­t Gridling die Frage möglichst allgemein.“In Sachen Ibiza wird festgehalt­en, dass es „keine Hinweise“gebe, dass das BVT oder einzelne Mitarbeite­r Kenntnis von der Existenz des Videos hatten.“

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Schauplatz einer Hausdurchs­uchung, die laut Bericht des Untersuchu­ngsausschu­sses nicht besonders
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APA (3) Sitz des Bundesamts für Verfassung­sschutz (Bild unten) – Schauplatz einer Hausdurchs­uchung, die laut Bericht des Untersuchu­ngsausschu­sses nicht besonders profession­ell ablief
 ?? APA (3) ?? Eduard Strauss, unabhängig­er Verfahrens­anwalt, geht in seinem Endbericht zum BVTAusschu­ss hart mit dem Innenminis­ter, aber auch mit der Justiz ins Gericht
APA (3) Eduard Strauss, unabhängig­er Verfahrens­anwalt, geht in seinem Endbericht zum BVTAusschu­ss hart mit dem Innenminis­ter, aber auch mit der Justiz ins Gericht
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Goldgruber sagte aus, er habe von Kickl den Auftrag erhalten, im Ministeriu­m „aufzuräume­n“
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