3,1 Milliarden außer Plan
Der Nationalrat beschließt heute Abgabensenkungen und Pensionserhöhung. Finanzminister Eduard Müller kritisiert die hohen Kosten.
Kosten in der Höhe von knapp sechs Milliarden Euro steht eine Gegenfinanzierung von rund 850 Millionen Euro gegenüber.“Es ist ein lapidarer Satz, den Finanzminister Eduard Müller am Mittwochnachmittag aussendet. Aber einer, der zeigt, welch massive Belastung für kommende Budgets die Beschlüsse darstellen, die die Parteien in der koalitionsfreien Zeit gefasst haben beziehungsweise gerade im Begriff sind, zu fassen.
Müller, bisher eines der in der Öffentlichkeit zurückhaltendsten Mitglieder der Übergangsregierung von Brigitte Bierlein, sieht die anstehenden Beschlüsse äußerst kritisch. Im Nationalrat soll heute unter anderem die Senkung von Sozialversicherungsbeiträgen von Niedrigverdienern, Selbstständigen und Bauern beschlossen werden und die Erhöhung der meisten Pensionen um das Doppelte der Inflation.
„Ich kann nur erneut an die Parlamentarier appellieren, auch die budgetäre Komponente bei ihren Beschlüssen miteinzubeziehen“, sagt Müller und verweist darauf, dass die Wirtschaft in Zukunft deutlich langsamer wachsen dürfte als in den vergangenen Jahren, womit die Zeit sprudelnder Steuereinnahmen bald vorbei sein dürfte.
Bis 2023 werden die Beschlüsse, die der Nationalrat im Juli gefasst hat – etwa die PflegegeldValorisierung, der Papamonat oder die Entgeltfortzahlung für freiwillige Helfer –, und jene, die er diese und kommende Woche voraussichtlich noch verabschieden wird, den Steuerzahler in Summe rund sechs Milliarden kosten, hat das Finanzministerium errechnet. Demgegenüber steht weniger als eine Milliarde an Mehreinnahmen aus Maßnahmen wie der Abschaffung der Umsatzsteuerbefreiung für Warenlieferungen aus Drittländern oder der neuen Digitalsteuer.
In dem Budget-Programm, das Österreich für diesen Zeitraum an die EU gemeldet hat – der langfristige Budgetplan des
Staats –, war bisher lediglich die geplante Steuerreform in Höhe von 2,8 Milliarden Euro eingepreist. Sprich: Mehr als drei Milliarden Euro der Beschlüsse der koalitionsfreien Zeit sind „Zusatzkosten“. „Ob der Überschuss 2020 bzw. ein Nulldefizit erreicht werden kann, ist derzeit noch nicht genau prognostizierbar und hängt auch von der Konjunktur ab“, heißt es aus dem Finanzministerium.
Unter den Maßnahmen, die dem Minister Kopfzerbrechen bereiten, stechen vor allem zwei hervor, die heute beschlossen werden: die Erhöhung mehr als der Hälfte der Pensionen um 3,6 Prozent (statt der Inflationsanpassung von 1,8 Prozent), die bis 2023 mit 1,6 Milliarden Euro mehr zu Buche schlägt.
Zum anderen der erste Teil der noch von Türkis-Blau geplanten Steuerreform. Dieser sieht vor allem die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge von Geringverdienern vor. Oder, genauer gesagt: So wird es verkauft. Weil sich die Parteien aber entschlossen haben, den Sozialversicherungsträgern nichts wegnehmen zu wollen, sieht der Antrag statt einer Kürzung der ArbeitnehmerBeiträge eine höhere Negativsteuer vor, die die Versicherungsbeiträge ausgleichen soll.
Arbeitnehmer mit Jahreseinkommen bis 21.500 Euro erhalten künftig als „Sozialversicherungsbonus“bis zu 300 Euro pro Jahr zurückerstattet, für Pensionisten steigt die Negativsteuer von 110 auf 300 Euro jährlich. Unternehmer und Bauern werden dagegen tatsächlich entlastet: Ihre Krankenversicherungsbeiträge werden um 0,85 Prozentpunkte auf 6,8 Prozent gesenkt. Den Sozialversicherungen werden die so entgangenen Beiträge aber aus dem Budget ersetzt.
Eine langsame Abkehr vom Versicherungsprinzip sieht darin Ökonom Lukas Sustala vom liberalen Thinktank Agenda Austria. Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung befürchtet er, dass die Beschlüsse des Nationalrats nur wenig geeignet seien, die Konjunktur anzukurbeln: „Durch diese Ausgaben vor der Wahl bringt sich die Politik um Spielraum für wirksamere Maßnahmen einer großen Steuerreform“, sagt Sustala.