Kleine Zeitung Kaernten

3,1 Milliarden außer Plan

Der Nationalra­t beschließt heute Abgabensen­kungen und Pensionser­höhung. Finanzmini­ster Eduard Müller kritisiert die hohen Kosten.

- Von Georg Renner

Kosten in der Höhe von knapp sechs Milliarden Euro steht eine Gegenfinan­zierung von rund 850 Millionen Euro gegenüber.“Es ist ein lapidarer Satz, den Finanzmini­ster Eduard Müller am Mittwochna­chmittag aussendet. Aber einer, der zeigt, welch massive Belastung für kommende Budgets die Beschlüsse darstellen, die die Parteien in der koalitions­freien Zeit gefasst haben beziehungs­weise gerade im Begriff sind, zu fassen.

Müller, bisher eines der in der Öffentlich­keit zurückhalt­endsten Mitglieder der Übergangsr­egierung von Brigitte Bierlein, sieht die anstehende­n Beschlüsse äußerst kritisch. Im Nationalra­t soll heute unter anderem die Senkung von Sozialvers­icherungsb­eiträgen von Niedrigver­dienern, Selbststän­digen und Bauern beschlosse­n werden und die Erhöhung der meisten Pensionen um das Doppelte der Inflation.

„Ich kann nur erneut an die Parlamenta­rier appelliere­n, auch die budgetäre Komponente bei ihren Beschlüsse­n miteinzube­ziehen“, sagt Müller und verweist darauf, dass die Wirtschaft in Zukunft deutlich langsamer wachsen dürfte als in den vergangene­n Jahren, womit die Zeit sprudelnde­r Steuereinn­ahmen bald vorbei sein dürfte.

Bis 2023 werden die Beschlüsse, die der Nationalra­t im Juli gefasst hat – etwa die Pflegegeld­Valorisier­ung, der Papamonat oder die Entgeltfor­tzahlung für freiwillig­e Helfer –, und jene, die er diese und kommende Woche voraussich­tlich noch verabschie­den wird, den Steuerzahl­er in Summe rund sechs Milliarden kosten, hat das Finanzmini­sterium errechnet. Demgegenüb­er steht weniger als eine Milliarde an Mehreinnah­men aus Maßnahmen wie der Abschaffun­g der Umsatzsteu­erbefreiun­g für Warenliefe­rungen aus Drittlände­rn oder der neuen Digitalste­uer.

In dem Budget-Programm, das Österreich für diesen Zeitraum an die EU gemeldet hat – der langfristi­ge Budgetplan des

Staats –, war bisher lediglich die geplante Steuerrefo­rm in Höhe von 2,8 Milliarden Euro eingepreis­t. Sprich: Mehr als drei Milliarden Euro der Beschlüsse der koalitions­freien Zeit sind „Zusatzkost­en“. „Ob der Überschuss 2020 bzw. ein Nulldefizi­t erreicht werden kann, ist derzeit noch nicht genau prognostiz­ierbar und hängt auch von der Konjunktur ab“, heißt es aus dem Finanzmini­sterium.

Unter den Maßnahmen, die dem Minister Kopfzerbre­chen bereiten, stechen vor allem zwei hervor, die heute beschlosse­n werden: die Erhöhung mehr als der Hälfte der Pensionen um 3,6 Prozent (statt der Inflations­anpassung von 1,8 Prozent), die bis 2023 mit 1,6 Milliarden Euro mehr zu Buche schlägt.

Zum anderen der erste Teil der noch von Türkis-Blau geplanten Steuerrefo­rm. Dieser sieht vor allem die Senkung der Sozialvers­icherungsb­eiträge von Geringverd­ienern vor. Oder, genauer gesagt: So wird es verkauft. Weil sich die Parteien aber entschloss­en haben, den Sozialvers­icherungst­rägern nichts wegnehmen zu wollen, sieht der Antrag statt einer Kürzung der Arbeitnehm­erBeiträge eine höhere Negativste­uer vor, die die Versicheru­ngsbeiträg­e ausgleiche­n soll.

Arbeitnehm­er mit Jahreseink­ommen bis 21.500 Euro erhalten künftig als „Sozialvers­icherungsb­onus“bis zu 300 Euro pro Jahr zurückerst­attet, für Pensionist­en steigt die Negativste­uer von 110 auf 300 Euro jährlich. Unternehme­r und Bauern werden dagegen tatsächlic­h entlastet: Ihre Krankenver­sicherungs­beiträge werden um 0,85 Prozentpun­kte auf 6,8 Prozent gesenkt. Den Sozialvers­icherungen werden die so entgangene­n Beiträge aber aus dem Budget ersetzt.

Eine langsame Abkehr vom Versicheru­ngsprinzip sieht darin Ökonom Lukas Sustala vom liberalen Thinktank Agenda Austria. Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung befürchtet er, dass die Beschlüsse des Nationalra­ts nur wenig geeignet seien, die Konjunktur anzukurbel­n: „Durch diese Ausgaben vor der Wahl bringt sich die Politik um Spielraum für wirksamere Maßnahmen einer großen Steuerrefo­rm“, sagt Sustala.

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APA Finanzmini­ster Eduard Müller

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