Brexit-Wende: Bitte um Verschiebung vorbereitet
Nun also doch: Gerichtsdokumente belegen, dass Boris Johnson eine Brexit-Verlängerung bei der EU beantragen will, wenn bis zum Gipfel in zwei Wochen kein „Scheidungsabkommen“zustande gekommen ist.
Die Zeit, sie drängt schon wieder, ein weiteres Mal spitzt sich im Brexit-Drama alles zu: Premier Boris Johnson hat bisher vehement am Austrittstag 31. Oktober festgehalten und ebenso vehement verweigert, die EU um eine Verschiebung zu bitten („Lieber liege ich tot im Graben“). Das Unterhaus besteht jedoch darauf, dass ein Austritt ohne Vertrag (No Deal) nicht sein darf, worauf derzeit aber alles hinausläuft – eine scheinbar ausweglose Situation.
Doch nun gibt es plötzlich Licht am Ende des Tunnels, es leuchtet ausgerechnet aus Schottland. Dort hatten Abgeordnete beim Höchstgericht geklagt, um Johnson zur Einhaltung der Unterhaus-Entscheidung zwingen zu können. Im Zuge dieses Verfahrens tauchten nun Papiere auf, in denen Johnson offensichtlich in die Knie geht. Demnach will er nun doch in Brüssel um eine neuerliche Verschiebung des Austrittsdatums bitten, falls es bis zum 19. Oktober – das ist der Tag nach dem nächsten regulären EU-Gipfel – keine Einigung über einen Deal geben sollte.
Johnson hatte zu Beginn dieser Woche erstmals schriftliche Vorschläge an die EU gemacht, die den umstrittenen „Backstop“für Irland unnötig machen sollten. Vorschläge, die die EU als nicht umsetzbar bezeichnet. Die Kommission sprach von neuen Problemen, Parlamentspräsident David Sassoli hält sie für ungenügend, das Parlament könne dem nicht zustimmen. Auch aus Irland kamen negative Signale. Wie es aus der Kommission heißt, müsste eine Entscheidung darüber spätestens am Freitag kommender Woche (11. Oktober) gefallen sein. Das ist die letzte Möglichkeit, die Punkte in die Gipfel-Vorbereitungen einfließen zu lassen. Voraussetzung ist ein Rechtstext, den die britische Regierung gemeinsam mit EU-Chefverhandler Michel Barnier verfassen muss.
Offen bleibt die Frage, was nach einer Verschiebung passiert; sowohl Neuwahlen als auch ein zweites Referendum sind weiterhin möglich.
I‘d rather be dead in a ditch then agree Brexit extension. (Ich liege lieber tot im Graben, als um eine Brexit-Verschiebung zu bitten.) Boris Johnson vor einem Monat