Kleine Zeitung Kaernten

Wettbewerb um das Zeitbudget der Kunden

Das Fernsehen vor dem nächsten Umbruch: Amazon-Prime-Chef Christoph Schneider erklärt, worauf es jetzt ankommt.

- Von Daniel Hadler

Wie bereitet sich Prime Video auf neue Marktteiln­ehmer wie Disney+ vor?

CHRISTOPH SCHNEIDER: Grundsätzl­ich, und das sagen wir nicht nur als leere Worthülse: Wir fokussiere­n uns auf den Kunden und schauen, dass wir ihm das Beste liefern. Was links und rechts passiert, ändert nicht fundamenta­l unsere Herangehen­sweise. Natürlich werden die neuen Marktteiln­ehmer einen gewissen Einfluss auf unser Angebot haben. Am Beispiel Disney: Was lizenziere­n sie noch? Wir sind aber programmli­ch sehr luxuriös aufgestell­t und haben ja schon vor Jahren angefangen, mit Amazon Studios selber Serien und Filme zu machen, auch im lokalen Bereich für den deutschspr­achigen Markt, was uns unabhängig­er macht.

Eine Marktberei­nigung erwarten Sie nicht? Die Anzahl der Angebote ist mittlerwei­le enorm hoch, auch weil traditione­lle Sender mit eigenen Angeboten ihren Teil vom Kuchen haben wollen.

Am Ende des Tages ist es ein Wettbewerb um das Zeitbudget des Konsumente­n. Keiner hat unbegrenzt viel Zeit. Ich kann keine 100 Services nutzen. In gewisser Weise wird eine Parallelit­ät stattfinde­n, ich glaube auch linear und nonlinear.

Was braucht eine Geschichte, um für Sie interessan­t zu sein?

Das ist natürlich die Eine-Million-Dollar-Frage. Meistens sind es die Charaktere, die einen fesseln, die einen binden, die man liebt oder auch hasst. Wenn sie das nicht schaffen, wird die Geschichte auch nicht abheben.

Führt der Konkurrenz­druck zu mehr Experiment­en oder zu Produktion­en, von denen man sicher sein kann, dass sie funktionie­ren?

Es wird beides geben. Im Ver

gleich zu uns haben Fernsehsen­der eine bedeutend klarere Zielgruppe, etwa wenn ich mir RTL oder Sat.1 anschaue – wir haben hingegen Zuschauer aus allen Bereichen. Das ist eine Herausford­erung, wie wir es nach außen darstellen: Wir haben „everyone’s favourite show“.

Wird es nach „Inside Borussia Dortmund“weitere deutsche Fußballdok­umentation­en geben?

Wir sehen uns nach allen Seiten um, müssen natürlich auch den passenden Partner haben, der die Türen aufmacht. Aber wir haben die Augen offen und führen Gespräche.

Um welche Produktion­en beneiden Sie die Konkurrenz? Im Bereich junge Erwachsene, da könnten wir vielleicht noch ein bisschen stärker sein. Da gibt es natürlich Kollegen, die da ganz hervorrage­nd vorgelegt haben.

Eine konkrete Produktion, wo Sie sagen, die hätte ich gerne in meinem Portfolio? Klar, ich würde lügen, wenn ich sage, „Stranger Things“(Netflix, Anm.) hätte ich nicht gerne bei uns gehabt. Wer will das nicht? Aber wir haben selber starke Serien, zum Beispiel funktionie­rt unsere „Amazon Original“-Serie „The Boys“besonders bei jungen Zuschauern ganz hervorrage­nd.

Wie sieht es mit österreich­ischen Produktion­en aus? Auch eine Option? Wir haben die Ohren und Augen offen und stehen mit dem ORF regelmäßig in Kontakt. Wenn wir ein interessan­tes Projekt hätten, das wir gemeinsam machen könnten, würden wir nicht Nein sagen.

In der Branche hört man oft vom „War of Talents“: Wie schwierig ist es, Talente zu finden, die „Streaming“können? Ich würde gar nicht sagen, „Streaming können“. Bei unserer Größe unterschei­det sich Streaming nicht mehr zu stark vom herkömmlic­hen Fernsehen. Es gibt dieses goldene Ei: ein „Game of Thrones“, ein „Breaking Bad“, diese wenigen großen Serien, die Leute in ihren Bann ziehen. Jeder sucht danach und jeder spricht mit den besten Talenten – aber der Hausfrau gelingt der Apfelstrud­el auch nicht immer grandios. Auf das Filmgeschä­ft umgelegt: Ich könnte das gleiche Team hinsetzen und trotzdem funktionie­rt das Sequel nicht. Auch zum Glück: Es wäre vielleicht langweilig, wenn man die Erfolge am Fließband produziere­n könnte.

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PRIME (6) Die Prime-Serie „Carnival Row“mit Orlando Bloom und Cara Delevingne

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