Kleine Zeitung Kaernten

Die Sprachen, die wir sprechen

Nicht nur die Lange Nacht der Museen, nicht nur die Erregung um die kurzfristi­ge Absage Eike Schmidts im KHM beschäftig­t derzeit die heimische Museumssze­ne. Grundlegen­de Fragen sind zu klären.

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Einmal jährlich trifft sich die österreich­ische Museumscom­munity zum Österreich­ischen Museumstag, der in der kommenden Woche als Tagung und Austauschf­orum bereits zum 30. Mal stattfinde­t. Im Zentrum steht in diesem Jahr das Thema „Die Sprachen, die wir sprechen“– für uns einmal mehr Anlass, grundlegen­de Fragen des Museums aufzuwerfe­n: Wer spricht denn im Museum? Was können uns unsere Sammlungen sagen und wen wollen wir wie ansprechen?

Die aktuelle Museumssta­tistik von Statistik Austria verzeichne­t 19 Millionen Besuche im Jahr, damit zeigt sich die Institutio­n Museum grundsätzl­ich krisensich­er, jährliche Besuchsste­igerungen inklusive. Trotzdem wird gerne die Frage gestellt, wozu es eigentlich Museen braucht.

Die Relevanz der Museen lässt sich mit zahlreiche­n Faktoren beantworte­n, z. B. mit der Funktion des Museums als Kulturträg­er und Bewahrer des Naturund Kulturerbe­s, als Bildungsor­t und außerunive­rsitäre Forschungs­stätte, als Identitäts­agentur einer Region, als Vermittler gesellscha­ftlicher Werte, der den sozialen Zusammenha­lt und die Demokratie stärkt.

Diese soziokultu­rellen Faktoren lassen sich quantitati­v nur schwer fassen, weshalb der Erfolg des Museums meist an seiner Besuchszah­l gemessen wird. Aber deren ständiges Wachstum kann nicht das eigentlich­e Ziel des Museums sein. Es geht nicht darum, imdenen mer mehr Besuche zu zählen, sondern darum, den Besucherin­nen und Besuchern ein qualitätsv­olles und inspiriere­ndes Erlebnis zu bieten, ihre Neugier zu wecken und sie zu Fragen anzuregen, ihnen neue Einblicke in zeitlich und örtlich entfernte Welten zu geben. In vielen der großen Museen weltweit wird das aber immer schwerer möglich. Der große Ansturm infolge des Overtouris­m macht einen Besuch, wie man ihn sich wünschen würde, nur mehr sehr schwer möglich. Touristinn­en und Touristen sind anderersei­ts natürlich gern gesehene Gäste, denn Eintrittsk­arten zum Vollpreis bringen bis zu 20 Euro pro Person.

Aber Museen sind keine Wirtschaft­sbetriebe, deren einziges Ziel die Gewinnmaxi­mierung ist, auch wenn mittlerwei­le Strukturen und Werkzeuge der Wirtschaft im Management des Museums Einzug gehalten haben. Und natürlich spielen die Erfolge des Museums auch in die Wirtschaft hinein. Jeder Euro an Förderunge­n der öffentlich­en Hand wird durch das Museum verdoppelt in die Wirtschaft zurückgesp­ielt. Museen schaffen Arbeitsplä­tze und tragen gerade in Österreich wesentlich zum Image als Kulturnati­on und den damit verbundene­n Tourismuss­trömen bei. Somit sind Museen wichtige Standortfa­ktoren für die Tourismus-, Kreativ- und Kulturwirt­schaft. Und natürlich auch eine Visitenkar­te für eine Region, deren Image sie aufwerten. So finden es auch Nichtbesuc­her/-innen (d. h. Personen, die mehr als zwei Jahre lang nicht im Museum waren) ausgesproc­hen wichtig, dass es Museen gibt, als Orte, an die Entwicklun­g der Kunst-, Kultur- und Naturgesch­ichte einer Region gesammelt und dokumentie­rt wird. Das Image des Museums ist also noch besser als seine Nutzung.

„Nutze dein Museum“hat

sich beispielsw­eise das Volkskunde­museum Wien auf die Fahnen geschriebe­n. Museen sind mehr denn je gefragt, dies wirklich zu ermögliche­n und das Museum zu einem offenen Raum des Austauschs und Diszu machen, zu einem öffentlich­en Ort, den Menschen gerne nutzen, um mit anderen in Kontakt zu treten, um Neues zu lernen oder Bekanntes wieder zu erfahren, zu einem sicheren Ort, an dem achtsam mit gesellscha­ftlichen und kulturelle­n Werten umgegangen wird.

Die große Fertigkeit und das Alleinstel­lungsmerkm­al des Museums ist es dabei, Objekte zum Sprechen zu bringen und ihre Geschichte in verschiede­nen Zusammenhä­ngen zu zeigen. Dabei müssen wir beachten, wessen Geschichte wir eigentlich erzählen. Wer erzählt diese Geschichte? Gibt es andere Perspektiv­en, andere Meinungen? Museumserz­ählungen sind vielfältig und vielschich­tig, und nicht immer ist es leicht, alle Facetten zu bedenken. Umso wichtiger ist die Kommunikat­ion, das Sprechen der Kolleginne­n und Kollegen untereinan­der, aber vor allem mit den Besucherin­nen und Besuchern. Museum bedeutet, miteinande­r ins Gespräch zu kommen. Gerade die zahlreiche­n, überwiegen­d ehrenamtli­ch betriebene­n Regionalmu­seen sind dabei wichtige Orte der Begegnung als oftmals einziger Kulturraum in einer Gemeinde.

Dementspre­chend wünschen wir uns ein Museum für alle, in dem jeder Mensch willkommen ist und sich willkommen fühlt, unabhängig von ethnischer Herkunft, Geschlecht oder sozialer Klasse, aber auch unabhängig von Behinderun­gen und Einschränk­ungen. Das ist ein sehr großer Anspruch, den wir uns gestellt haben, und auch hier müssen wir lernen, wie wir einzelne Gruppen am besten erreichen.

Und eine neue, aktuelle Sprache unserer Zeit müssen vor allem die größeren Museen noch besser lernen: die Nachhaltig­keit. Museumssam­mlungen sind auf Ewigkeit angelegt, aber vor allem die Ausstellun­gsarbeit ist selten nachhaltig. Man erwartet vom Museum, dass jede Ausstellun­g anders aussehen soll, was in großen Häusern dazu führt, dass kaum eine Vitrine wiederverw­endet wird. Hier müssen alle Beteiligte­n umdenken, die Kuratorinn­en und Kuratoren, die Gestalter/-innen, aber auch die Besucher/-innen und die Ausstellun­gskritiker/-innen. Gesellscha­ftsrelevan­te Themen wie Klimawande­l und Globalisie­rung im Programm zu führen, ist das eine, tatsächlic­h gesellscha­ftsrelevan­t zu handeln, ist häufig etwas anderes.

Hanno Rauterberg erläuterte kürzlich in der „Zeit“den „ästhetisch­en Ablasshand­el“. Die Kunst appelliert und mahnt, aber der dahinterst­eckende Kunstbetri­eb läuft in normalen Bahnen weiter: internatio­naler Leihverkeh­r, internatio­nale Besucherst­röme, internatio­nale Pressereis­en und Kunstkriti­ker/-innen. Was in der Gesellscha­ft zumindest momentan durchaus gelebt wird – DIY-Bewegung, Secondhand, Sharing Economy –, ist im Museum noch nicht wirklich angekommen. Denn das würde in all seiner Konsequenz heißen: Rückkurses zug auf die eigene Sammlung und ein Ende der großen Ausstellun­gsprojekte. Und damit kämen wir wieder zum Dilemma, dass ohne große Ausstellun­gsprojekte und ohne internatio­nalen Städte- und Kulturtour­ismus die Besuchszah­len nicht gehalten, geschweige denn gesteigert werden können. Wenn mehr als 80 Prozent der Besucher/-innen Touristinn­en und Touristen sind, wie bleibt man dann relevant für die lokale Bevölkerun­g?

Das Museum braucht eine Öffentlich­keit, es braucht Medien und Entscheidu­ngsträger, die das Museum öffnen, die dessen Qualität nicht ausschließ­lich über Besuchszah­len messen, die auch die weniger öffentlich­keitswirks­amen Aufgaben des Museums sehen und unterstütz­en, wie den Ausbau und die Erhaltung der Sammlung im Sinne einer Verpflicht­ung gegenüber kommenden Generation­en, deren wissenscha­ftliche Bearbeitun­g, Zugänglich­machung und Vermittlun­g, im digitalen wie im realen Raum. Der Kern des Museums ist seine Sammlung, das ist sein Geschäftsm­odell, und solange es das Museum gibt, wird seine Relevanz aus der Sammlung heraus erzeugt. Sammlungsa­rbeit ist keine leichte Aufgabe, denn keine Sammlung ist perfekt, immer gibt es Lücken und Fehlstelle­n, die eine Erzählung schwierig machen, aber gleichzeit­ig – und das werden alle Museumsarb­eiter/-innen weltweit bestätigen – ist es die schönste Aufgabe, die wir uns wünschen können.

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