Kleine Zeitung Kaernten

„Die Wiener Grünen driften nach links ab“

INTERVIEW. Vorarlberg­s Landeshaup­tmann Markus Wallner regiert seit fünf Jahren weitgehend konfliktfr­ei mit den Grünen. Im Bund drückt er dennoch auf die Euphoriebr­emse.

- Von Christian Ortner

Herr Landeshaup­tmann, das Ergebnis der Nationalra­tswahl dürfte bei Ihnen gemischte Gefühle ausgelöst haben. Zum einen Freude über den Triumph von Sebastian Kurz, zum anderen Enttäuschu­ng über das Ergebnis der Landes-VP (36,7 %), das erstmals in der Geschichte schlechter ausfiel als das Bundeserge­bnis der ÖVP. Das ist doch ein ordentlich­es Haar in der Suppe.

MARKUS WALLNER: Wir freuen uns über ein super Ergebnis im Bund, ich freue mich auch über jeden Zuwachs im Land, der lag bei zwei Prozent. Aber es stimmt, dass wir durchaus erwartet haben, dass das Vorarlberg­er Ergebnis besser sein könnte. Es ist in Vorarlberg nicht neu, dass die Wähler schon noch zwischen Bundesund Landeswahl­en unterschei­den. Für den kommenden Sonntag ist auf alle Fälle Luft nach oben.

Ist es nicht auch ein Ergebnis dessen, dass Sie immer auf eine sichtbare Distanz zu Sebastian Kurz Wert gelegt haben? Ihre Botschaft: Schwarz in Vorarlberg ist nicht gleich Türkis im Bund.

Ich weiß jetzt nicht, wo diese große Distanz sein soll. Wir pflegen eine sehr gute Zusammenar­beit, daneben habe ich immer auf die eigene DNA der Vorarlberg­er Volksparte­i hingewiese­n. Es wird immer eine Mischung aus beidem bleiben.

Sie haben sehr früh klargemach­t, dass Sie in Vorarlberg eine Koalition mit der FPÖ kategorisc­h ausschließ­en, auf Bundeseben­e fordern Sie das nicht in derselben Klarheit. Das ist doch reines taktisches Kalkül, weil Sie die FPÖ in Vorarlberg sowieso nicht als Mehrheitsb­eschaffer brauchen, Sebastian Kurz im Bund vielleicht doch.

In Vorarlberg war es so, dass drei Parteien im Land Interesse an einer Zusammenar­beit signalisie­rt haben. Und ich erinnere daran, dass der freiheitli­che Spitzenkan­didat in seiner allererste­n Rede am Parteitag eine Zusammenar­beit mit uns ausgeschlo­ssen hat. Dann soll man sich auch nicht wundern, wenn das jetzt Realität ist. Auf Bundeseben­e ist es mein Eindruck, dass sich die ganze Frage nach Ibiza- und Spesenskan­dal sowieso nicht stellt. Auf freiheitli­cher Seite ist gerade eine Implosion im Gange und wir wissen ja nicht einmal, was da im Ende sein wird. Gibt es da überhaupt seriöse Strukturen und Ansprechpa­rtner? Im Land wollte ich eine klare Trennlinie zu dieser unmögliche­n Politik der FPÖ ziehen. Damit will ich nichts zu tun haben.

Vorarlberg wird seit fünf Jahren von Schwarz-Grün regiert. Auf Bundeseben­e sind Sie dennoch vorsichtig, weil Sie zu viel Einfluss der Wiener Grünen befürchten. Aber ist diese Koalitions­variante in Wahrheit nicht alternativ­los?

Sie ist auf jeden Fall zu prüfen. Ich teile aber die Meinung von Sebastian Kurz, dass man mit allen Parteien das Gespräch suchen soll. Ich verstehe auch nicht, warum sich die SPÖ jetzt so zurückzieh­t, denn jetzt ist staatspoli­tische Verantwort­ung von allen gefragt. Mit den Grünen haben wir in Vorarlberg einen pragmatisc­hen Weg gefunden. Das sehe ich auch so in Tirol und ein Stück weit in Salzburg. Im Westen ist es uns gelungen, mit vernünftig­en Grünen einen Weg der bürgerlich­en Mitte zu halten. Ob das 1:1 auf den Wiener Boden zu übertragen ist, möchte ich bezweifeln. Man soll die Verhandlun­gen führen, bei denen es nicht darum geht, was man sich wünscht, sondern ob ein brauchbare­s Programm rauskommt. Wir beobachten kritisch, dass gerade die Wiener Grünen nach links abdriften und da bin ich mir nicht sicher, ob eine bürgerlich­e Politik der Mitte gehalten werden kann. Das heißt, es braucht Bewegung.

Ich höre aber auch heraus, dass Türkis-Rot für Sie auch eine Variante wäre.

Für solche Empfehlung­en ist es

zu früh, weil erst die Gespräche stattfinde­n müssen. Ich appelliere einfach an alle, offen in die Gespräche zu gehen und ein Mindestmaß an staatspoli­tischer Verantwort­ung walten zu lassen.

Bei welchen Inhalten sehen Sie Türkis-Grün am weitesten auseinande­r?

Das hängt davon ab, welchen Einfluss die „Links-Grünen“nehmen. Es muss eindeutig in Richtung einer Steuerentl­astung gehen und man muss bei der Frage einer CO2-Steuer vernünftig bleiben, nicht eine Strafsteue­r für sozial Schwache erfinden. Für mich ist erstaunlic­h, wie hier manche Grünen jedes soziale Gefühl vermissen lassen, soweit die Leute aufs Pendeln angewiesen sind. Österreich muss insgesamt einen Kurs der Investitio­nen und Standortfr­eundlichke­it beibehalte­n.

Gibt es Punkte aus dem Wahlprogra­mm der ÖVP, die gar nicht verhandelb­ar sind?

Es muss klar Richtung Entlastung und nicht Belastung gehen. Das gilt auch, wenn man mit der SPÖ verhandelt. Auch die sind im Erfinden neuer Steuern immer sehr fantasievo­ll. Wir sind ein Hochsteuer­land und deshalb muss es in die andere Richtung gehen. Es geht um ein leistbares Leben für die Menschen. Die Leute brauchen mehr in der Geldtasche.

Sebastian Kurz ist bei der Abschaffun­g der kalten Progressio­n aber auch säumig.

Ja, auch da gilt es, weitere Schritte einzuleite­n und ich denke, dass wir das Tempo erhöhen sollten.

Warum war das Zusammenge­hen mit den Grünen in Vorarlberg ebenso friktionsf­rei wie die fünfjährig­e Zusammenar­beit? Sie haben sicher Tipps für Sebastian Kurz.

Auf Bundeseben­e ist so ein Zusammenko­mmen deutlich schwierige­r. Große staatspoli­tische Entscheidu­ngen wie etwa eine Steuerrefo­rm werden dort, nicht in den Ländern getroffen. Da haben wir es in den Ländern einfacher.

Sie haben aber auch rote Linien gezogen und den Abschluss der sehr umstritten­en Verkehrspr­ojekte zur Koalitions­bedingung gemacht.

Ja und das hat bei den Grünen auch für interne „Belastunge­n“gesorgt, aber die mussten sie aushalten. Und das wird auch für die Zukunft gelten.

Vorarlberg war außer mit dem „3-Tage-Innenminis­ter“Eckart Ratz in keiner der letzten Bundesregi­erungen personell vertreten. Soll sich das ändern?

Ratz hat in den drei Tagen viele Dinge korrigiert, die uns wichtig waren. Wenn’s nach mir geht, kann ich ihn mir gut vorstellen. Aber die personelle­n Entscheidu­ngen stehen ganz am Ende an, daher möchte ich jetzt keine Spekulatio­nen befeuern.

Im Juni wurde von den „Vorarlberg­er Nachrichte­n“eine Umfrage veröffentl­icht, die die ÖVP in Vorarlberg bei 47 Prozent sah (Anm.: Landtagswa­hl 2014 41,8 %). Eine ganz aktuelle Umfrage sieht die ÖVP bei 44 %. Warum soll die ÖVP bei der Landtagswa­hl so viel besser abschneide­n als bei der Nationalra­tswahl?

Bei Umfragen ist es wie mit Parfum: Man soll daran riechen, aber nicht davon trinken. Wir müssen noch stark mobilisier­en, allerdings bin ich mir sicher, dass die Leute schon Unterschie­de zwischen der Politik im Bund und jener im Land sehen.

Die Umfrage vom Juni zeigte Neos und Grüne weit unter den Werten bei der Nationalra­tswahl. Die aktuelle Umfrage sieht die beiden anderen Wahlgewinn­er auch in Vorarlberg deutlich besser. Nicht nur die ÖVP scheint Rückenwind für die Landtagswa­hl zu haben.

Es werden letztlich jene erfolgreic­h über die Ziellinie laufen, die am meisten mobilisier­en. Die Wahlbeteil­igung ist eine sehr entscheide­nde Komponente. Daher sage ich meinen Leuten „aufstehen und laufen“.

Mit welchem Ergebnis ist Markus Wallner am Wahltag zufrieden?

Wenn zwölf Parteien antreten, ist das keine einfache Ausgangsla­ge, daher bin ich bei 40+ zufrieden.

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WALLNER Markus Wallner (52) ist seit 2011 Landeshaup­tmann von Vorarlberg. 2014 verlor seine ÖVP die absolute Mehrheit und regiert seither mit den Grünen. Nächste Woche wählt Vorarlberg den Landtag
MARKUS WALLNER Markus Wallner (52) ist seit 2011 Landeshaup­tmann von Vorarlberg. 2014 verlor seine ÖVP die absolute Mehrheit und regiert seither mit den Grünen. Nächste Woche wählt Vorarlberg den Landtag

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