Kleine Zeitung Kaernten

Wagen sie den Sprung diesmal?

2003 scheiterte Schwarz-Grün auf den letzten Metern, nun steht Türkis-Grün hoch im Kurs. Die Parteigröß­en Ulrike Lunacek und Andreas Khol debattiere­n, ob es diesmal gelingt.

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Das sensatione­lle Comeback in den Nationalra­t am vergangene­n Sonntag ist vor allem ein Auftrag für uns Grüne, die nötige ökologisch­e und sozial gerechte Transforma­tion in den nächsten Jahren voranzutre­iben.

Aus welcher Position heraus wir den Wandel in Österreich am besten schaffen können, werden die nächsten Wochen zeigen. Wir können Opposition und wir können Regierung. Das haben wir mit Regierungs beteiligun­gen in sechs( von neun !) Bundesländ­ern seit 2003 bewiesen.

Wir sind breit aufgestell­t. In den letzten beiden Jahren ist es uns gelungen, Bündnispar­tei für eine neue Bewegung zu werden, mit Menschen aus der Zivil gesellscha­ft, aus der Wissenscha­ft und vielen Einzelnen. Ihnen allen ist eine starke Stimme für Klima -, Umwelt-und Naturschut­z wichtig, genauso die Bekämpfung der Armut von Kindern. Und sie wollen transparen­te Partei-und Wahlkampf kassen sehen und keine schrägen Vereins konstrukti­onen und Spenden stückelung sa kt ionen.

Für Letzteres sind keine Regierungs­verhandlun­gen nötig. Deshalb wird Werner Kogler einen Gesetzesan­trag zur echten Transparen­z bei Parteien- und Wahlkampf finanzieru­ng am Tag der Angelobung einbringen. Diese Initiative im Parlament wird eine Nagelprobe für all jene sein, die im Wahlkampf saubere Politik versproche­n haben: Wir hoffen, dass sie jetzt zu ihren Verspreche­n stehen.

Inwiefern die Kurz-ÖVP bereit ist, sich beim Klimaschut­z als zentrales Zukunftsth­ema zu bewegen, werden Sondierung­en zeigen. Für uns ist klar: Es ist allerhöchs­te Zeit, der jungen Generation die Frage zu beantworte­n, welche Maßnahmen endlich getroffen werden, um in den nächsten fünf Jahren jährlich 1,7 Mio. Tonnen(!) CO2 einzuspare­n. Es braucht nicht gut klingende Absichtser­klärungen, sondern konkrete, entschloss­ene Maßnahmen. Und die haben wir in der Schublade. Unser ökologisch-soziales Umsteuerun­gsmodell schafft den Spagat zwischen Klimaschut­z und sozialem Ausgleich. Es ähnelt übrigens dem Modell der Ökosoziale­n Marktwirts­chaft des steirische­n ÖVP-Vizekanzle­rs Josef Riegler, das dieser schon Mitte/Ende der 1980erJahr­e entwickelt­e.

Wir Grüne stehen für ein Österreich, das in Europa Kooperatio­n, nicht Konfrontat­ion sucht, das klar proeuropäi­sch und multilater­al, nicht nationalis­tisch agiert. Die Grünen sind eine Gegenbeweg­ung gegen autoritäre Tendenzen, eine Bewegung für Demokratie, Zusammenha­lt und Menschenwü­rde.

Türkis hat sich in den letzten Jahren von den christlich-sozialen Idealen der schwarzen ÖVP entfernt, wir werden sehen, ob Sebastian Kurz bereit ist, den Weg zu diesen Vorbildern wieder zu öffnen. Wenn dem so ist, dann sind wir für ernsthafte und ausführlic­he Sondierung­sgespräche bereit und bestens gerüstet.

Sie hätte auch 2003 gelingen können. Dass die Gründe für das Scheitern wieder vorliegen, ist nach ersten Grün-Äußerungen wahrschein­lich. Schüssel und Van der Bellen scheiterte­n an der Kluft zwischen Pragmatike­rn und Ideologen.

Wie sich die Bilder gleichen: Die ÖVP als überlegene­r Wahlsieger sucht einen Partner! Die FPÖ ist im Umbau. Ob sie danach koalitions­fähig wird, ist offen. Also die SPÖ, Streit-Koalitionä­r von einst? Nicht unmöglich, aber sie windet sich: Neue Obfrau? Volksparte­i der linken Mitte nach Blair-Schröder-Gusenbauer-Modell einer solidarisc­hen Hochleistu­ngsgesells­chaft? Oder Linksruck nach dem Corbyn-Modell einer neumarxist­ischen Linken?

Bleibt also eine Koalition der Wahlsieger? Die Wiener Meinungsbl­ase, die Sebastian Kurz vehement bekämpft, systematis­ch verunglimp­ft, ja „herunterge­todelt“hat, drängt stürmisch darauf. Der Champion der Grünen, Werner Kogler, hat mit persönlich­en Angriffen auf Kurz mitgemacht, auch nach der Wahl damit nicht aufgehört. Reden könne man ja … aber ohne Reue und Umkehr der Türkisen gehe gar nichts! Die Grünen spüren die Hochkonjun­ktur – der Klimaschut­z ist unbestritt­en. Wenn man will, kann man da sicherlich gemeinsam einen wichtigen Schwerpunk­t setzen, die inhaltlich­en Unterschie­de sind überbrückb­ar. Ihr zweites Ziel, die Bekämpfung der „Kinderarmu­t“, ist unbestreit­bar.

Ein Transparen­zgesetz wäre nach den Erfahrunge­n des Wahlkampfe­s vordringli­ch. Wenn Kogler die Entwicklun­g der Grünen zur Volksparte­i als Ziel nennt, kann das wohl nur eine Absage an die grün-alternativ­en Gesellscha­ftsverände­rer bedeuten, an denen das Experiment 2003 zerbrach!

Bis jetzt kommen aus der grünen Führungssc­hicht aber andere Töne. So meinte Ex-Europaabge­ordneter Michel Reimon, man müsse der ÖVP nur ein ordentlich­es Klimaschut­zpaket hinknallen, dann sei der Spuk schon beendet. Andere verlangen umfangreic­he Änderungen der gesamten Politik nach grünaltern­ativen Plänen. Die Gesellscha­ftsordnung müsse insgesamt umgestalte­t werden. Sparpoliti­k, Steuerabba­u, Migrations­politik, Sozialhilf­e: Alles, was unter Kurz verändert wurde, müsse rückgängig gemacht werden. Als hätten die Grünen fast 38 Prozent in den Wahlen gewonnen, und nicht knappe 14! So wird kein Schuh daraus!

In Sondierung­en muss geklärt werden, ob beide bereit sind, aufeinande­r zuzugehen. Sind die Wiener Grünen bereit? Der grüne Parlaments­klub, ein solches Projekt mit Disziplin durchzutra­gen? An beiden ist Van der Bellen 2003 gescheiter­t. ÖVP und Grüne müssen aufeinande­r zugehen, einander respektier­en und nicht vom anderen die Unterwerfu­ng verlangen. Wenn die Sondierung­en nicht Gewähr dafür geben, sind Verhandlun­gen von vornherein zum Scheitern verurteilt.

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MONTAGE: ADOBE STOCK; TRAUSSNIG, APA
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