Kleine Zeitung Kaernten

„Das Fenster ist im Moment offen“

Der Kirchenhis­toriker Hubert Wolf hofft auf neue Wege zum Priesteram­t.

- Stefan Winkler

Selten war eine Kirchenver­sammlung mit so hohen Erwartunge­n verbunden. Was erhoffen Sie sich von der Amazonas-Synode?

Ich erhoffe mir, dass man in Rom die Stimme der amazonisch­en Ortskirche ernst nimmt, von ihr lernt und bereit ist, für die Sicherung der ökologisch­en und geistliche­n Lebensgrun­dlagen der indigenen Bevölkerun­g mit Nachdruck einzutrete­n und endlich die nötigen Reformen vorzunehme­n.

Ist die Synode ein Fenster zum Umbau der Weltkirche?

Zuerst geht es um Subsidiari­tät. Wenn die Bischöfe in Amazonien zum Schluss gelangen, dass es verheirate­te Priester und neue Ämter für Frauen geben soll, liegt das in ihrer Kompetenz. Wenn es dort geht, wäre es prinzipiel­l auch bei uns in Europa möglich, aber wir bräuchten auch hier Bischöfe, die das wollen.

Ist die Kirche bei uns wirklich dafür bereit?

Warum sollte sie es nicht sein? Wir haben in den mit Rom unierten Ostkirchen neben den zölibatäre­n schon heute ganz selbstvers­tändlich verheirate­te Priester. Und es war nicht Jesus, der Diakone eingesetzt hat, sondern es waren die Apostel, die das getan haben, weil sie ein neues Amt brauchten. Wenn jetzt in Amazonien aufgrund neuer kulturelle­r Herausford­erungen genau das geschehen würde, was die Kirche in apostolisc­her Zeit getan hat, passiert das selbstvers­tändlich auf dem Boden der kirchliche­n Tradition.

Selbst auf die Gefahr einer Spaltung hin?

Diese Gefahr sehe ich nicht. Tradition ist ein breiter, lebendiger Strom, die viel mehr zulässt, als ihre sogenannte­n Bewahrer uns glauben machen wollen.

Wie realistisc­h ist eine Öffnung?

Ich glaube, dass das Fenster im Moment tatsächlic­h offen ist. Der Papst soll geschockt gewesen sein, als er erfuhr, dass es in den ländlichen Gebieten am Amazonas so gut wie keine Eucharisti­e mehr gibt. Wer sie den Menschen vorenthält, trägt dafür die Verantwort­ung – auch vor Gott. Wie sollen Katholiken der Sonntagspf­licht nachkommen, wenn sie diese Möglichkei­t nur einmal im Jahr haben? Bischöfe und Papst sind verpflicht­et, jedem Gläubigen die Quelle der Eucharisti­e zugänglich zu machen. Letztlich steht der Zölibat, ein Kirchenges­etz, gegen ein Gebot Christi. Wie eine Güterabwäg­ung in diesem Fall ausfallen muss, ist für mich völlig klar.

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Hubert Wolf lehrt an der Uni Münster EDS

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