„Das Fenster ist im Moment offen“
Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf hofft auf neue Wege zum Priesteramt.
Selten war eine Kirchenversammlung mit so hohen Erwartungen verbunden. Was erhoffen Sie sich von der Amazonas-Synode?
Ich erhoffe mir, dass man in Rom die Stimme der amazonischen Ortskirche ernst nimmt, von ihr lernt und bereit ist, für die Sicherung der ökologischen und geistlichen Lebensgrundlagen der indigenen Bevölkerung mit Nachdruck einzutreten und endlich die nötigen Reformen vorzunehmen.
Ist die Synode ein Fenster zum Umbau der Weltkirche?
Zuerst geht es um Subsidiarität. Wenn die Bischöfe in Amazonien zum Schluss gelangen, dass es verheiratete Priester und neue Ämter für Frauen geben soll, liegt das in ihrer Kompetenz. Wenn es dort geht, wäre es prinzipiell auch bei uns in Europa möglich, aber wir bräuchten auch hier Bischöfe, die das wollen.
Ist die Kirche bei uns wirklich dafür bereit?
Warum sollte sie es nicht sein? Wir haben in den mit Rom unierten Ostkirchen neben den zölibatären schon heute ganz selbstverständlich verheiratete Priester. Und es war nicht Jesus, der Diakone eingesetzt hat, sondern es waren die Apostel, die das getan haben, weil sie ein neues Amt brauchten. Wenn jetzt in Amazonien aufgrund neuer kultureller Herausforderungen genau das geschehen würde, was die Kirche in apostolischer Zeit getan hat, passiert das selbstverständlich auf dem Boden der kirchlichen Tradition.
Selbst auf die Gefahr einer Spaltung hin?
Diese Gefahr sehe ich nicht. Tradition ist ein breiter, lebendiger Strom, die viel mehr zulässt, als ihre sogenannten Bewahrer uns glauben machen wollen.
Wie realistisch ist eine Öffnung?
Ich glaube, dass das Fenster im Moment tatsächlich offen ist. Der Papst soll geschockt gewesen sein, als er erfuhr, dass es in den ländlichen Gebieten am Amazonas so gut wie keine Eucharistie mehr gibt. Wer sie den Menschen vorenthält, trägt dafür die Verantwortung – auch vor Gott. Wie sollen Katholiken der Sonntagspflicht nachkommen, wenn sie diese Möglichkeit nur einmal im Jahr haben? Bischöfe und Papst sind verpflichtet, jedem Gläubigen die Quelle der Eucharistie zugänglich zu machen. Letztlich steht der Zölibat, ein Kirchengesetz, gegen ein Gebot Christi. Wie eine Güterabwägung in diesem Fall ausfallen muss, ist für mich völlig klar.