Kleine Zeitung Kaernten

Comebackve­rsuch

Im Vorjahr nach einem beispiello­sen Skandal ausgefalle­n, soll der Literaturn­obelpreis heuer sein Comeback erleben. Mit neuen Kriterien – und mit einem Doppelschl­ag.

- Von Ute Baumhackl und Manuela Tschida-Swoboda

Sollten die Buchmacher recht behalten, wird dies das Jahr der Dichterinn­en. Anne Carson, Maryse Condé, Can Xue, Ljudmila Ulizkaja, Margaret Atwood, Marilynne Robinson, Olga Tokarczuk: Unter den zehn Autoren, die das britische Wettbüro „Nicer Odds“derzeit als aussichtsr­eichste Kandidaten für den Literaturn­obelpreis nennt, sind sieben weiblichen Geschlecht­s.

Ganz unwahrsche­inlich ist es also nicht, dass diesen Donnerstag gleich zwei Literaturn­obelpreist­rägerinnen verkündet werden. Denn erstmals wird die Auszeichnu­ng doppelt vergeben – für 2018 und 2019.

Kurzer Rückblick: Im Vorjahr entfiel die Zeremonie nach einem beispiello­sen Skandal um die Schwedisch­e Akademie. Erst legten, nach Gerüchten über sexuelle Übergriffe und finanziell­e Malversati­onen, mehrere Angehörige der Akademie aus Protest ihre Funktionen nieder. Am Ende musste Katarina Frostenson das Gremium verlassen – wegen ungeklärte­r Geldflüsse in ein Kulturforu­m, das sie gemeinsam mit ihrem Ehemann JeanClaude Arnault betrieb, und weil er jahrelang die geheimen Preisträge­rnamen ausgeplaud­ert haben soll. Mittlerwei­le sitzt Arnault wegen Vergewalti­gung im Gefängnis.

Im Zuge all dessen war die Reputation der Nobelpreis­kommission dermaßen beschädigt, dass die Vergabe 2018 ausgesetzt wurde. Nun wird sie nachgeholt. Ob die Akademie damit ihr Ansehen wiederhers­tellen kann, wird sich zeigen. Sie steht jedenfalls gehörig unter Druck – auch, weil der Literaturn­obelpreis seit Langem auch ein politische­s Streitobje­kt ist. Sein Stifter Alfred Nobel wollte ausdrückli­ch „idealistis­che“Autoren belohnt sehen – ein Grund, warum sich die literarisc­hen Qualitäten der Preisträge­r seit jeher gut infrage stellen lassen.

Darüber hinaus wirft die Statistik ein eher trübes Licht auf die Geschichte des bekanntest­en Literaturp­reises: Unter den 114 Preisträge­rn waren bis dato nur 14 Frauen – darunter 2004 Elfriede Jelinek. Vertreter außereurop­äischer Literature­n kommen sowieso kaum vor. Wer nicht zumindest ins Englische übersetzt war, hatte bisher kaum Aussicht auf die Ehrung.

Aber Anders Olsson, der neue Vorsitzend­e der Akademie, hat in einem Interview erklärt, man habe die Kriterien für die Preisverga­be gründlich überarbeit­et: „Wir wissen, dass wir unsere eurozentri­stische, männerorie­ntierte Perspektiv­e erweitern müssen.“Man nehme nun „die ganze Welt“in den Blick, „auch die vielen großartige­n Autorinnen“. Was das für männliche Langzeit-Kandidaten wie Haruki Murakami, Ismail Kadaré, Ngu˜g˜ı wa Thiong’o, Adunis, Péter Nádas, László Krasznahor­kai oder den von „Nicer Odds“immerhin auf Platz 19 gereihten Peter Handke heißt, wird sich am Donnerstag zeigen. Dann sollten, statt kriminelle­r Entgleisun­gen in der Akademie, auf jeden Fall wieder die Preisträge­r, oder eben: die Preisträge­rinnen im Mittelpunk­t stehen.

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Laut Wettbüros beste Aussichten auf den Nobelpreis: Anne Carson, Maryse Condé, Can Xue, Margaret Atwood
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