Kleine Zeitung Kaernten

Leidensweg eines Missbrauch­sopfers. Nach Unterbring­ung in Heim verging sich dort über Jahre ein Betreuer an der Frau.

Heilpädago­ge (66) missbrauch­te jahrelang beeinträch­tigte Bewohnerin von Camphill Liebenfels. Mann stand schon 2012 unter Verdacht.

- Von Jochen Habich

Das hat überhaupt nichts mit Liebe zu tun. Absolut nichts.“Richterin Sabine Roßmann sprach es in ihrer Urteilsbeg­ründung klar aus. Es war der wichtigste Satz in einem Missbrauch­sprozess, der gestern am Landesgeri­cht Klagenfurt stattgefun­den hat.

Ein deutscher Staatsbürg­er (66) war angeklagt, weil er eine ihm anvertraut­e, beeinträch­tigte Frau sexuell missbrauch­t hatte. Das Opfer lebte mit dem Täter und anderen Bewohnern in einem Haus der Einrichtun­g Camphill Liebenfels. Dort kam es zum Missbrauch. Zehn Jahre lang, bis Frühjahr 2019, in mehr als 500 Fällen.

Wegen Missbrauch­s einer psychisch beeinträch­tigten Person wurde der Heilpädago­ge rechtskräf­tig zu fünf Jahren unbedingte­r Haft verurteilt. Der Mann, er war geständig und unbescholt­en, sprach von einer „Liebesbezi­ehung“, die er mit der heute 45-Jährigen gehabt haben will. Eine „Erklärung“, der auch Staatsanwä­ltin Gabriele Lutschouni­g widersprac­h: „Das war sicher keine Liebesbezi­ehung.“Im Gegenteil: Der Angeklagte habe die Situation und den Zustand seines Opfers ausgenutzt.

Die furchtbare­n Details des Falls wurden gestern bekannt: Die heute 45-Jährige ist nach Camphill gekommen, nachdem sie von ihrem Vater und Bekannten sexuell missbrauch­t worden ist. Die Frau hat, so eine Sachverstä­ndige, die „geistigen Fähigkeite­n einer Drei- bis Sechsjähri­gen“. „Nein“zu sagen, auch bei sexuellem Missbrauch, war ihr nicht möglich, so die Gutachteri­n. Der Angeklagte gab zu, vom Missbrauch gewusst zu haben. „Dennoch haben sie dort weitergema­cht, wo andere Täter angefangen haben“, sagte Roßmann.

2012 wäre der Missbrauch in Camphill fast aufgefloge­n: Bereits damals wurde gegen den Mann wegen Verdachts des Missbrauch­s des heutigen Opfers ermittelt. Bei der Befragung der Frau war auch die damalige Hausleiter­in dabei. Sie war die Lebensgefä­hrtin des Deutschen. Das Ermittlung­sverfahren wurde eingestell­t.

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KRAINZ Der Schöffense­nat unter Vorsitz von Richterin Sabine Roßmann sprach den Angeklagte­n schuldig

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