Vor Prozess: Tochter eines „Hexenopfers“packt aus.
Der Prozess gegen die Villacher Frauenbande beginnt. Erstmals schildert eine Tochter der Ermordeten, was die Hinterbliebenen durchmachen mussten und wie ihre Mutter manipuliert wurde.
Am Dienstag beginnt der Prozess gegen die Villacher Frauenbande. „Doch eigentlich gibt es keine gerechte Strafe für das, was meiner Mutter angetan wurde.“Das sagt eine Tochter des Mordopfers. Die 72-jährige Pensionistin aus Villach wurde im Vorjahr tot neben ihrem Bett aufgefunden ermordet, wie sich später herausstellen sollte. Nach langem Zögern hat sich eine der zwei Töchter der Frau entschlossen, ihr Schweigen zu brechen: Auch, um andere Menschen zu sensibilisieren und um aufzuzeigen, was Hinterbliebene von Verbrechensopfern durchmachen. Die Frauenbande hat mit sektenähnlichen Mitteln gearbeitet. Das Verhältnis zwischen der Mutter und ihren Töchtern war schon länger belastet. „Diedrei Frauen haben das gewusst und absichtlich immer weiter einen Keil in unsere Familie getrieben“, erzählt eine der Töchter. „Ich habe die Damen nie kennengelernt. Meine Mutti hat sie aber immer als Freundinnen bezeichnet.“
Im Oktober 2018 wurde sie von einer dieser „Freundinnen“erwürgt: Die 44-jährige Ungarin hat das bereits zugegeben. Den Auftrag zu diesem Mord gab – laut Anklage – die Chefin der Freundinnen: Frau T. (48). Ihr Motiv war vermutlich Geldgier. Sie selbst bestreitet das. Es gilt die Unschuldsvermutung.
T. war von der Pensionistin als Haupterbin eingesetzt worden, sie wollte ans Vermögen der 72-Jährigen kommen. Beinahe hätte das auch geklappt. Alles sah nach einem natürlichen Tod aus, als Polizisten in die Villacher Wohnung der Pensionistin kamen. „Die Leiche meiner Mutti war bereits zur Bestattung freigegeben“, weiß die Tochter der Frau. Da schlug ein Ermittler Alarm – einer, der schon lange hinter der Verdächtigen T. her war. Er hatte sie im Visier, weil sie sich als Hellseherin und Energetikerin ausgab und vielen Menschen ihr Geld herauslockte. Nun wurden auch Mordermittlungen eingeleitet.
„Mehr als fünf Wochen lang durften meine Schwester und ich niemandem sagen, dass die Mutti gestorben ist, um die Ermittlungen nicht zu gefährden“, schildert die Tochter. „Das war eine extreme Belastung.“Offenbar war es aber notwendig, damit sich die Frauenbande in Sicherheit wiegt. Den Hinterbliebenen wurde in dieser Zeit alles abverlangt. „Wir mussten sogar zu der Testamentseröffnung gese
hen und dort der Hauptverdächtigen gegenübersitzen“, schildert die betroffene Tochter. Sie und ihre Schwester saßen gemeinsam mit Frau T. bei der Notarin – in dem Wissen, dass diese Frau vielleicht ihre Mutter ermorden ließ. Trotz allem durften sich die Töchter nichts anmerken lassen.
Die Verdächtige T. habe bei der Testamentseröffnung „ganz geschockt getan“wegen des Todes der Mutter. „Sie hat auch gesagt, dass sie sich erst überlegen wird, ob sie das Erbe überhaupt antritt.“Wie im Nachhinein zu erfahren war, „hat sie ein paar Stunden später die Notarin angerufen, dass sie das Erbe will“. Sie war auch beim Bestatter und verlangte die rasche Einäscherung der Leiche. Die Verdächtige wusste jedoch nicht, dass zu diesem Zeitpunkt bereits eine Obduktion stattgefunden hatte.
Es war längst klar, dass die Pensionistin ermordet worden war.
Von den Details der Tat und dem Ausmaß der Verbrechen erfuhren die Hinterbliebenen des Mordopfers erst durch die Medien – als die Polizei eine Pressekonferenz gab. Nach und nach wurde der Tochter klar, wie die Frauenbande ihre Mutter manipuliert hat.
Die wohlhabende Witwe hatte eine der Freundinnen beim Einkaufen kennengelernt. Bald darauf war sie mit allen drei Frauen „befreundet“. Die 48-jährige T., die sich als Energetikerin bezeichnete, gab der Pensionistin Massagen. Es entstand enger Kontakt. Frau T. wurde zu einer Art Wahltochter.
Doch irgendwann dürfte die Pensionistin dann geahnt haben, dass etwas nicht stimmt. In einem Tagebucheintrag schrieb sie: „Das Leben wäre schöner ohne die drei.“
„Etwa ein Jahr vor ihrem Tod wollte die Mutti wieder engen Kontakt zu mir. Sie wollte sogar von Villach wegziehen und in meiner Nähe wohnen“, schildert die Tochter. Die Mutter vertraute ihr auch an, dass sie jemandem Geld geliehen habe, viel Geld. Sie hat gesagt, dass sie das Geld zurückverlangen wird, schildert die Tochter. „Was ich jedoch nicht wusste, ist, dass sie sich damit in Gefahr brachte.“
Schleichend brach die Mutter den Kontakt zur Tochter wieder ab. Heute ist der Frau klar, warum. Frau T. „hat meiner Mutti eingeredet, dass ich sie besachwalten will. Sie sagte ihr auch, ich hätte einen Antrag gestellt, dass ihr der Führerschein entzogen wird. Meine Mutti liebte es, mit dem Auto zu fahren“. Es muss sie sehr getroffen haben, dass ihre Tochter ihr das nehmen und sie bevormunden will. „Es war zwar alles eine Lüge, doch meine Mutti glaubte ihrer Freundin.“Sie zog sich weiter zurück. „Wenn ich die Mutti traf, war sie sehr nervös, zappelte immer mit den Füßen.“Als die Tochter fragte, was los ist, lautete der Antwort stets: „Wenn du wüsstest ...“
Jahrelang war die Mutter mit den drei Angeklagten befreundet. „Sie haben alle Kontakte, die meine Mutti hatte, systematisch lahmgelegt. Sie haben ihr alles genommen.“Früher habe die Mutter gemalt, getanzt, gesungen. „Plötzlich wollte sie nicht mehr zum Chor.“Jeder Versuch der Tochter, ihrer Mutter zu helfen, scheiterte an der Frauenbande. „Ich spürte, dass sie jemand im Hintergrund beeinflusst. Aber ich hatte keine Ahnung, wer.“Nachsatz: „Sie wollte mit mir nie über ihre Freundinnen reden.“
Monate vor dem Mord bekam die Tochter einen Anruf von einem Polizisten. „Er sagte, meine Mutter sei in gefährlichen Kreisen.“Doch die Tochter kam nicht mehr an ihre Mutter heran. „Ihre Freundinnen hatten der Mutti ihr altes Handy genommen. Sie durfte nur noch mit Wertkartenhandy telefonieren.“Da sei der Polizist sogar zu der Pensionistin nach Hause gegangen und habe sie vor den Frauen gewarnt. Doch auch das half nichts. „Ihre Freundinnen schafften es immer wieder, meine Mutti für sich zu gewinnen.“
Wie viel Erspartes die Pensionistin der Bande gegeben hat, ist nicht klar. „Es waren sicher Zehntausende Euro.“Einst war die 72-jährige Witwe eine gut situierte Frau. „Vor ihrem Tod hatte sie nichts mehr.“Ihr Auto hatte sie der Verdächtigen T. geschenkt. „Ihren Schmuck musste sie verpfänden“, weiß die Tochter. So wie es aussieht, wurde der Frau wirklich alles genommen: ihr Erspartes, ihre sozialen Kontakte – und am Ende sogar ihr Leben.
Die Betroffene spricht heute auch in „Kärnten heute“über den Fall.
Ein Verbrechen mit so perfiden, niederträchtigen Motiven ist mir in den letzten 30 Jahren nicht untergekommen.
Ferdinand Lanker,
Rechtsanwalt