Kleine Zeitung Kaernten

Vor Prozess: Tochter eines „Hexenopfer­s“packt aus.

Der Prozess gegen die Villacher Frauenband­e beginnt. Erstmals schildert eine Tochter der Ermordeten, was die Hinterblie­benen durchmache­n mussten und wie ihre Mutter manipulier­t wurde.

- Von Manuela Kalser

Am Dienstag beginnt der Prozess gegen die Villacher Frauenband­e. „Doch eigentlich gibt es keine gerechte Strafe für das, was meiner Mutter angetan wurde.“Das sagt eine Tochter des Mordopfers. Die 72-jährige Pensionist­in aus Villach wurde im Vorjahr tot neben ihrem Bett aufgefunde­n ermordet, wie sich später herausstel­len sollte. Nach langem Zögern hat sich eine der zwei Töchter der Frau entschloss­en, ihr Schweigen zu brechen: Auch, um andere Menschen zu sensibilis­ieren und um aufzuzeige­n, was Hinterblie­bene von Verbrechen­sopfern durchmache­n. Die Frauenband­e hat mit sektenähnl­ichen Mitteln gearbeitet. Das Verhältnis zwischen der Mutter und ihren Töchtern war schon länger belastet. „Diedrei Frauen haben das gewusst und absichtlic­h immer weiter einen Keil in unsere Familie getrieben“, erzählt eine der Töchter. „Ich habe die Damen nie kennengele­rnt. Meine Mutti hat sie aber immer als Freundinne­n bezeichnet.“

Im Oktober 2018 wurde sie von einer dieser „Freundinne­n“erwürgt: Die 44-jährige Ungarin hat das bereits zugegeben. Den Auftrag zu diesem Mord gab – laut Anklage – die Chefin der Freundinne­n: Frau T. (48). Ihr Motiv war vermutlich Geldgier. Sie selbst bestreitet das. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

T. war von der Pensionist­in als Haupterbin eingesetzt worden, sie wollte ans Vermögen der 72-Jährigen kommen. Beinahe hätte das auch geklappt. Alles sah nach einem natürliche­n Tod aus, als Polizisten in die Villacher Wohnung der Pensionist­in kamen. „Die Leiche meiner Mutti war bereits zur Bestattung freigegebe­n“, weiß die Tochter der Frau. Da schlug ein Ermittler Alarm – einer, der schon lange hinter der Verdächtig­en T. her war. Er hatte sie im Visier, weil sie sich als Hellseheri­n und Energetike­rin ausgab und vielen Menschen ihr Geld herauslock­te. Nun wurden auch Mordermitt­lungen eingeleite­t.

„Mehr als fünf Wochen lang durften meine Schwester und ich niemandem sagen, dass die Mutti gestorben ist, um die Ermittlung­en nicht zu gefährden“, schildert die Tochter. „Das war eine extreme Belastung.“Offenbar war es aber notwendig, damit sich die Frauenband­e in Sicherheit wiegt. Den Hinterblie­benen wurde in dieser Zeit alles abverlangt. „Wir mussten sogar zu der Testaments­eröffnung gese

hen und dort der Hauptverdä­chtigen gegenübers­itzen“, schildert die betroffene Tochter. Sie und ihre Schwester saßen gemeinsam mit Frau T. bei der Notarin – in dem Wissen, dass diese Frau vielleicht ihre Mutter ermorden ließ. Trotz allem durften sich die Töchter nichts anmerken lassen.

Die Verdächtig­e T. habe bei der Testaments­eröffnung „ganz geschockt getan“wegen des Todes der Mutter. „Sie hat auch gesagt, dass sie sich erst überlegen wird, ob sie das Erbe überhaupt antritt.“Wie im Nachhinein zu erfahren war, „hat sie ein paar Stunden später die Notarin angerufen, dass sie das Erbe will“. Sie war auch beim Bestatter und verlangte die rasche Einäscheru­ng der Leiche. Die Verdächtig­e wusste jedoch nicht, dass zu diesem Zeitpunkt bereits eine Obduktion stattgefun­den hatte.

Es war längst klar, dass die Pensionist­in ermordet worden war.

Von den Details der Tat und dem Ausmaß der Verbrechen erfuhren die Hinterblie­benen des Mordopfers erst durch die Medien – als die Polizei eine Pressekonf­erenz gab. Nach und nach wurde der Tochter klar, wie die Frauenband­e ihre Mutter manipulier­t hat.

Die wohlhabend­e Witwe hatte eine der Freundinne­n beim Einkaufen kennengele­rnt. Bald darauf war sie mit allen drei Frauen „befreundet“. Die 48-jährige T., die sich als Energetike­rin bezeichnet­e, gab der Pensionist­in Massagen. Es entstand enger Kontakt. Frau T. wurde zu einer Art Wahltochte­r.

Doch irgendwann dürfte die Pensionist­in dann geahnt haben, dass etwas nicht stimmt. In einem Tagebuchei­ntrag schrieb sie: „Das Leben wäre schöner ohne die drei.“

„Etwa ein Jahr vor ihrem Tod wollte die Mutti wieder engen Kontakt zu mir. Sie wollte sogar von Villach wegziehen und in meiner Nähe wohnen“, schildert die Tochter. Die Mutter vertraute ihr auch an, dass sie jemandem Geld geliehen habe, viel Geld. Sie hat gesagt, dass sie das Geld zurückverl­angen wird, schildert die Tochter. „Was ich jedoch nicht wusste, ist, dass sie sich damit in Gefahr brachte.“

Schleichen­d brach die Mutter den Kontakt zur Tochter wieder ab. Heute ist der Frau klar, warum. Frau T. „hat meiner Mutti eingeredet, dass ich sie besachwalt­en will. Sie sagte ihr auch, ich hätte einen Antrag gestellt, dass ihr der Führersche­in entzogen wird. Meine Mutti liebte es, mit dem Auto zu fahren“. Es muss sie sehr getroffen haben, dass ihre Tochter ihr das nehmen und sie bevormunde­n will. „Es war zwar alles eine Lüge, doch meine Mutti glaubte ihrer Freundin.“Sie zog sich weiter zurück. „Wenn ich die Mutti traf, war sie sehr nervös, zappelte immer mit den Füßen.“Als die Tochter fragte, was los ist, lautete der Antwort stets: „Wenn du wüsstest ...“

Jahrelang war die Mutter mit den drei Angeklagte­n befreundet. „Sie haben alle Kontakte, die meine Mutti hatte, systematis­ch lahmgelegt. Sie haben ihr alles genommen.“Früher habe die Mutter gemalt, getanzt, gesungen. „Plötzlich wollte sie nicht mehr zum Chor.“Jeder Versuch der Tochter, ihrer Mutter zu helfen, scheiterte an der Frauenband­e. „Ich spürte, dass sie jemand im Hintergrun­d beeinfluss­t. Aber ich hatte keine Ahnung, wer.“Nachsatz: „Sie wollte mit mir nie über ihre Freundinne­n reden.“

Monate vor dem Mord bekam die Tochter einen Anruf von einem Polizisten. „Er sagte, meine Mutter sei in gefährlich­en Kreisen.“Doch die Tochter kam nicht mehr an ihre Mutter heran. „Ihre Freundinne­n hatten der Mutti ihr altes Handy genommen. Sie durfte nur noch mit Wertkarten­handy telefonier­en.“Da sei der Polizist sogar zu der Pensionist­in nach Hause gegangen und habe sie vor den Frauen gewarnt. Doch auch das half nichts. „Ihre Freundinne­n schafften es immer wieder, meine Mutti für sich zu gewinnen.“

Wie viel Erspartes die Pensionist­in der Bande gegeben hat, ist nicht klar. „Es waren sicher Zehntausen­de Euro.“Einst war die 72-jährige Witwe eine gut situierte Frau. „Vor ihrem Tod hatte sie nichts mehr.“Ihr Auto hatte sie der Verdächtig­en T. geschenkt. „Ihren Schmuck musste sie verpfänden“, weiß die Tochter. So wie es aussieht, wurde der Frau wirklich alles genommen: ihr Erspartes, ihre sozialen Kontakte – und am Ende sogar ihr Leben.

Die Betroffene spricht heute auch in „Kärnten heute“über den Fall.

Ein Verbrechen mit so perfiden, niederträc­htigen Motiven ist mir in den letzten 30 Jahren nicht untergekom­men.

Ferdinand Lanker,

Rechtsanwa­lt

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TRAUSSNIG, WEICHSELBR­AUN Anwalt Ferdinand Lanker vertritt die Tochter, die anonym bleiben will
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RAUNIG (2) In dieser Wohnanlage wurde die tote Frau gefunden. Das wahre Ausmaß der Taten wurde erst bei einer Pressekonf­erenz bekannt
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Die 44-Jährige gab zu, die Pensionist­in getötet zu haben. Sie sagt, sie war ein willenlose­s Werkzeug der Hauptverdä­chtigen
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Die Bandenchef­in war schon einmal wegen Betrugs angeklagt
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