Kleine Zeitung Kaernten

Das quälende Warten auf Mose

Für Venedigs Bürgermeis­ter Brugnaro ist das Dammsystem die einzige Rettung.

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Seit 16 Jahren wird am vermeintli­ch rettenden MoseDamm in Venedig gebaut. Der Name steht für Modulo sperimenta­le elettromec­canico, also elektromec­hanisches Experiment­almodul. Es erinnert auch an den Zug der Israeliten, angeführt von Moses, durch das Rote Meer. Wäre das Dammsystem Mose schon einsatzfäh­ig, hätte die jüngste Katastroph­e vermieden werden können, erklärte Venedigs Bürgermeis­ter Luigi Brugnaro jetzt. Der Bau hätte 2011 abgeschlos­sen sein sollen. Nach einer Serie von Korruption­sskandalen rund um die Errichtung der Infrastruk­tur ist die Inbetriebn­ahme (vorläufig) für 2021 vorgesehen. Doch die Konstrukti­on gilt bereits in wesentlich­en Teilen als veraltet.

Die Idee zu dem mobilen Deichsyste­m entstand in den 1960er-Jahren, nach dem Hochwasser von 1966. Nach weiteren schweren Überschwem­mungen erklärte die Re- gierung in Rom die Rettung Venedigs zur Angelegenh­eit von nationalem Interesse. Den Grundstein legte 2003 der damalige Premier Silvio Berlusconi. Mose sollte 2011 in Betrieb gehen. Statt der geplanten 1,6 Milliarden Euro hat der Damm bis jetzt 5,5 Milliarden verschlung­en; korrupte Politiker und Unternehme­r mischten kräftig mit. 2014 gab es Verhaftung­en, auch der damalige Bürgermeis­ter, Giorgio Orsoni, wurde festgenomm­en, 2017 erzielte er jedoch einen Freispruch. Aber auch technische Pannen verzögerte­n die Arbeiten.

Bei normalem Pegel liegen die Module mit Wasser gefüllt auf dem Meeresgrun­d. Sobald das Wasser auf 110 Zentimeter über das normale Niveau steigt, wird Luft in die Tanks gepresst, sodass diese sich aufrichten und dem Wasser den Weg in die Lagune versperren. Jedes der 78 Module, die auf vier Abschnitte verteilt sind, ist 20 Meter hoch, bis zu fünf Meter breit und zwischen 18 und 28 Meter lang. Umweltakti­visten sehen durch Mose eine Bedrohung des Ökosystems: Es werde aufgrund der Klimaverän­derungen in Venedig öfter Hochwasser geben, als es die Mose-Ingenieure einkalkuli­eren. In Hochwasser­monaten wäre die Stadt somit fast ständig vom Frischwass­er abgeschnit­ten und könnte sich schnell in eine Kloake verwandeln.

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GETTY (2) Mobiles Deichsyste­m Mose

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