Europas neuer Zeremonienmeister
Der Belgier übernimmt die AmtsGeschäfte von EU-Ratspräsident Tusk.
Rund 15 Gehminuten sind es von seinem derzeitigen Amtssitz zu seinem neuen Büro im Brüsseler EU-Viertel. Charles Michel übernimmt heute bei einer Zeremonie im EU-Rat die Geschäfte des EU-Ratspräsidenten von seinem Vorgänger Donald Tusk. Das neue Amt tritt der ehemalige belgische Regierungschef wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag an.
Vielleicht war das verzwickte, stets zum Ausgleich zwischen den Sprachgruppen verpflichtende belgische Polit-Parkett eine gute Schule für den 43Jährigen, der künftig bei komplexen Themen wie Migration oder Finanzen die unterschiedlichen Interessen der bald wohl nur noch 27 EU-Staaten in geordnete Bahnen lenken muss. Der EU-Ratspräsident hat bei den zu treffenden Entscheidungen zwar selbst keine Stimme, der kahlköpfige bärtige Jurist, der vom scheidenden Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker einmal einen Kuss auf die Glatze bekam, muss aber dafür sorgen, dass die EU bei den Gipfeln Handlungen setzt.
Kritiker nennen den dreifachen Vater zwar „Macrons Marionette“– Michel ist Liberaler und gehört damit zu der Parteiengruppe, der sich auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angeschlossen hat – doch als Belgien nach den Brüsseler Terroranschlägen im März 2016 traumatisiert war, hielt er das Land mit ruhiger Hand zusammen.
Mit Politik hat Michel von klein auf zu tun, sein Vater Louis Michel war Außenminister und EU-Kommissar. Dieser war einer der vehementesten Befürworter der EU-Sanktionen, als Österreich anno 2000 nach der Regierungsbeteiligung der FPÖ der Buhmann der EU war.