Die Ohnmacht einer Behörde
Banken, Brexit, Migration – irgendwann ist alles zu viel.
Jean-Claude Juncker wollte eigentlich Ratspräsident werden, im Kreise der anderen Staats- und Regierungschefs hatte er sich stets wohlgefühlt. Als er dann an die Spitze der wichtigsten EU-Behörde rückte (gegen die Stimmen von David Cameron und Fraktionskollege Viktor Orbán, worauf er heute noch stolz ist), trat er seinen Dienst mit einem dramatischen Leitspruch an: „Die Kommission der letzten Chance“versprühte nicht gerade Optimismus, auf gewisse Weise sollte der schlaue Fuchs aber recht behalten.
Europa geriet in Schwierigkeiten. Die konnte man natürlich nicht der EU-Kommission an sich anlasten, sie brachten aber Juncker und seine Leute an ihre Grenzen. Und so zählt der scheidende Präsident heute selbst Fehler auf, die viel mit Zögern und Zaudern zu tun haben: In der „Luxleaks“-Affäre (internationale Konzerne konnten auf Kosten anderer EU-Länder in Luxemburg Steuerzahlungen vermeiden) habe er etwa zu lange geschwiegen. Einer der größten Fehler überhaupt war aus seiner Sicht, dass er vor dem Brexit-Votum der Briten der Bitte David Camerons entsprochen habe, sich nicht in britische Angelegenheiten einzumischen.
Dann kam die Migrationswelle, Europa wurde von Flüchtlingen überrannt und die EU geriet aus den Fugen. Die Aufspaltung zwischen Ländern mit hartem Kurs (Italien, Ungarn, Polen usw.) zu den toleranteren Mitgliedsstaaten wurde größer, Schengen und die Grenz-Regimes gerieten aus dem Takt. Bis heute kam die EU aus diesem
Thema nicht mehr heraus, die dringend nötige Dublin-Reform (zur Aufteilung bzw. dem Umgang mit Asylsuchenden) hängt an zwei offenen Kapiteln fest und kommt nicht weiter, die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips in der Außenpolitik ist schon auf die Agenda der neuen Kommission gerutscht. Stattdessen sind Populismus und Nationalismus gewachsen, Rechtsstaatlichkeitsverfahren (gegen Polen und Ungarn) wurden eingeleitet, große Länder wie Italien oder Frankreich scheren immer wieder aus.
Ebenfalls nicht gelungen ist die Wiedervereinigung Zyperns und der Rahmenvertrag mit der Schweiz (weiterhin bei Johannes Hahn angesiedelt), der mehrjährige Finanzrahmen ist im Verzug – und viele Reformen sind ausständig.