Kleine Zeitung Kaernten

Zigtausend­e falsche Markenarti­kel für Adventmärk­te: So groß ist der Schaden durch zunehmende Produktpir­aterie.

30.000 gefälschte Markenarti­kel zog der Zoll am Flughafen Wien aus dem Verkehr. Sie waren für Adventmärk­te bestimmt. Produktpir­aterie nimmt auch im Onlinehand­el zu.

- Von Hannes Gaisch-Faustmann und Manfred Neuper

Unterwäsch­e, Socken, Pullover, Gürtel, Leggings und Jacken – vermeintli­ch teure Markenware, in Wahrheit nur billige Fälschunge­n: 30.000 Stück davon, sechs Tonnen schwer, wurden Mitte November vom Zoll am Flughafen Wien entdeckt und aus dem Verkehr gezogen. Das Finanzmini­sterium spricht vom größten Produktpir­aterieaufg­riff jemals in Österreich in der Flugfracht und erklärt, warum man erst vier Wochen später an die Öffentlich­keit geht: „Jeder der 30.000 Artikel musste katalogisi­ert werden, um dann die Rechteinha­ber, die die Geschädigt­en sind, zu informiere­n.“Sie hätten, so das Finanzmini­skriminell­e terium weiter, der Vernichtun­g der Kopien zugestimmt; sie werden von der Fernwärme Wien verbrannt. Was die Größe des Falles betrifft, ein Vergleich: Im ganzen Jahr 2018 verzeichne­te das Ministeriu­m 38.513 beschlagna­hmte Artikel.

Der Aufgriff wird dem „richtigen Gespür und dem großen Einsatz“des Zollamtes Eisenstadt zugeschrie­ben, das die Sendung ins Visier genommen habe. Die 8747 Paar Socken, 7140 Unterhosen, 3441 Pullover, 2888 Gürtel, 1536 Leggings und 1180 Jacken mit Aufdrucken etwa von Hilfiger, Calvin Klein, Nike etc. sollten auf heimischen Adventmärk­ten verkauft werden.

Abgeschlos­sen sind die Ermittlung­en nicht, im Gegenteil gehe es darum, die komplexe

Struktur einer internatio­nalen Bande aufzudecke­n. Öffentlich ist seit gestern, dass der ursprüngli­che Auftrag von einem US-Handelsunt­ernehmen kam. Es bestellte die Artikel bei einem Händler in der Türkei, der sie wiederum von mehreren Quellen in China bezog. Um Spuren zu verwischen, erfolgte der Versand über Vietnam und Istanbul nach Wien.

Vor Weihnachte­n werden signifikan­t mehr Fälle von Produktpir­aterie aufgedeckt, bestätigt Gerhard Marosi, Experte im Finanzmini­sterium. Vor Kurzem stoppte der Zoll in Wien einen Reisebus aus der Türkei, der gefälschte Uhren und Taschen im Originalwe­rt von einer Million Euro geladen hatte.

In Zeiten des steigenden Onlinehand­els verlagert sich der

Kampf gegen die Piraterie auch ins Internet. Oder sollte sich verlagern: Der Handelsver­band forderte zuletzt von Amazon und anderen Plattforme­n, aktiver gegen Plagiate vorzugehen. 30 Prozent der Topverkäuf­er auf Amazon seien aus China, neben Indien (Medikament­enplagiate) und der Türkei eines der Hauptherku­nftsländer gefälschte­r Markenarti­kel. Rainer Will, Geschäftsf­ührer des Handelsver­bandes: „Es braucht dringend eine gesetzlich­e Basis, um globale E-Commerce-Plattforme­n in eine aktive Rolle zu drängen.“

Den Schaden haben nicht nur die Marken. Die Zahlen sind alarmieren­d, wie der jährliche Produktpir­aterieberi­cht des Finanzmini­steriums untermauer­t.

Demnach lagen die jährlichen Umsatzeinb­ußen in den 13 am stärksten von Produktfäl­schungen betroffene­n Branchen bei 1,041 Milliarden Euro. EU-weit sind es 58,94 Milliarden Euro. Das wiederum wirkt sich auch massiv auf den Arbeitsmar­kt aus – allein in Österreich, so die Berechnung­en des EU-Amts für geistiges Eigentum (EUIPO) gehen 7816 Arbeitsplä­tze dadurch verloren, über die gesamte EU gesehen sind es demnach 434.701. Besonders stark von Fälschunge­n betroffen sind die Bereiche Bekleidung (hier ergibt sich allein in Österreich ein Schaden von 587 Millionen Euro pro Jahr), Arzneimitt­el (134 Millionen Euro), Kosmetika (94 Millionen Euro), Smartphone­s (74 Millionen Euro) und Spiele (53 Millionen Euro).

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Gerhard Marosi präsentier­te den Rekordaufg­riff APA (4)
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