Wie sich Flucht in einem Lkw-Container anfühlt
Mit „Escape!“ist der Künstlerin Deborah Sengl eine eindringliche Installation zum Thema Flucht geglückt – mittels Escape-Room-Spiel.
Die Klappe geht zu, sieben Personen stehen unbeholfen im Laderaum eines Lkw, die Luft ist schlecht. Es beginnt zu ruckeln, der Lkw setzt sich in Bewegung. Bilder drängen sich auf – es sind keine heimeligen. Die Fahrt geht weiter, an der Grenze stoppt der Lkw. Zu hören sind Schäferhunde, die bellen, und Polizisten, die näherkommen und an die Wand klopfen. Gefühlt im letzten Moment entkommt man über eine Seitentür. Aufatmen.
Auch wenn man weiß, dass das Gebell aus dem Computer kommt und man an einem Kunstprojekt teilnimmt, ist man schnell drinnen in der eigenen Fluchtgeschichte. „Escape!“heißt der politische und künstlerische Escape-Room der Wiener Künstlerin Deborah Sengl im Museumsquartier Wien. Die auf 300 Quadratmeter verwinkelte Intervention macht das Thema der Flucht spürbar. Wie bei EscapeRooms üblich, muss man Rätsel lösen, Zahlencodes dechiffrieren und zusammenarbeiten, um weiterzukommen. In diesem Fall heißt das raus
– aus dem Verhörraum, aus dem Lkw, aus dunklen Gängen. In einem Büro sitzt der Asylbeamte Hr. Grantl hinter einer Glaswand
– mit einem Schäferhundekopf. Tiere als Platzhalter haben Tradition in Sengls Arbeiten.
Ein Besuch ist ein emotional eindringliches Erlebnis, das einen gar nicht kaltlassen kann. Am Anfang dieses Projekts stand übrigens auch eine Emotion. Der Zorn – jener über die „Empathielosigkeit diesen Menschen gegenüber“, sagt Deborah Sengl. Die Rede ist von der „sogenannten Flüchtlingskrise“Ende 2015/16. Aus dieser Emotion heraus und ihrer neuen Leidenschaft für Escape-Rooms entstand die Idee für „Escape!“, das „wachrütteln“und „Interesse am Gegenüber“wecken soll.
Bis Ende 2020 kann man diese politische und spielerische Tour noch für Gruppen von vier bis acht Personen buchen. „Ich wollte nie mit dem Zeigefinger zeigen“, sagt Sengl über ihr Projekt. Und auch nicht die Geschichten Geflohener 1 : 1 nacherzählen. Zusammengearbeitet hat sie dafür mit der Organisation „Fremde werden Freunde“. Und: Von den acht Personen, die beim Projekt nun arbeiten und weiterhelfen, haben sieben selbst die Erfahrung von Flucht gemacht. Am Ende gibt es die Möglichkeit zur Nachbesprechung. Sengls vorläufiges Fazit: „Die Menschen reden darüber. Es gibt nichts Vergleichbares, um Emotionen zu wecken.“Deswegen spuke schon ein nächster Kunst-Escape-Room in ihrem Kopf herum.
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