Kleine Zeitung Kaernten

Schwarzes Jahr für die Kirche

Zunahme bei Austritten – mit traurigem Rekord in Kärnten. Hier verließen 64,9 Prozent mehr Gläubige die katholisch­e Kirche. Im Österreich-Schnitt waren es 14,9 Prozent.

- Von Andrea Bergmann und Monika Schachner Mit besonderen Ausreißern Vertrauens­verlust

2019 war für die Kärntner Kirche ein Jahr der Negativrek­orde. Die Turbulenze­n seit dem Wechsel von Bischof Alois Schwarz von Klagenfurt nach St. Pölten im Juli 2018 zeigen erneut deutliche Auswirkung­en. Denn in der Diözese Gurk-Klagenfurt traten 2019 – von hohem Level ausgehend – um 64,9 Prozent mehr Frauen und Männer aus der katholisch­en Kirche aus als im Jahr davor. Gesamt waren es 5815. Das zeigen die gestern offiziell von der Diözese präsentier­ten Zahlen. Die Austritte nahmen auch österreich­weit um 14,9 Prozent zu, gesamt verabschie­deten sich 67.583 Personen. In Kärnten gab es so viele Austritte wie noch nie und mehr als im bisher stärksten Austrittsj­ahr 2010 (5639) nach Bekanntwer­den von Missbrauch­sfällen in der Kirche.

zeigt sich, wie die Kärntner reagierten: Zu Jahresbegi­nn 2019 gab es die apostolisc­he Visitation durch Erzbischof Franz Lackner, um die von schweren Vorwürfen betroffene Ära von Bischof Schwarz in Kärnten, aber auch die Interimsfü­hrung zu

durchleuch­ten. Im Juli wurde Diözesanad­ministrato­r Engelbert Guggenberg­er von Rom abberufen. Beide Ereignisse entfachten Empörung und Widerstand, die Austrittsz­ahlen schnellten hoch. Danach gab es Abflachung­en, wie Burkhard

Kronawette­r als Diözesanök­onom gegenüber der Kleinen Zeitung skizziert.

Auffallend auch: Im Dezember 2019, als Josef Marketz von Papst Franziskus zum neuen Kärntner Bischof ernannt wurde, gingen die Kärntner Aus

gegenüber Dezember 2018 um fast 30 Prozent zurück bzw. pendelten sich wieder auf Normalwert ein, 288 Leute traten aus.

2019 gab es in Kärnten 306 Wiederein- und Übertritte in die katholisch­e Kirche. 356.920 Kärntner sind römisch-katholisch, also 63,6 Prozent der Gesamtbevö­lkerung. Österreich­weit gehörten mit Stichtag 31. Dezember 4,98 Millionen Menschen der katholisch­en Kirche an. Im Jahr davor waren es 5,05 Millionen. Das bedeutet einen Rückgang von 1,35 Prozent. Es ist der höchste Wert seit 2010, dem Bekanntwer­den von Missbrauch­sfällen. In Kärnten betrug der Rückgang 1,6 Prozent.

Apropos Missbrauch: Dieses schmerzlic­he Thema war auch im Vorjahr für viele Katholiken

dafür, der Kirche den Rücken zu kehren: Rund um den Kinderschu­tzgipfel im Jänner im Vatikan war das Thema medial wieder sehr präsent.

war überregion­al ebenso in der Causa Bischof Schwarz das beherrsche­nde Thema für viele Gläubige. Die Berichters­tattung veranlasst­e auch viele Steirer zum Kirchenaus­tritt (plus 10,8 Prozent), so die Erhebung der Diözese Graz-Seckau. Immer wieder genannt werden die fehlenden Reformen in Bezug auf wiederverh­eiratete Geschieden­e, Zölibat und die Frauenfrag­e.

In St. Pölten traten im Vorjahr 5430 Personen aus der Kirche aus, das ist ein Plus von 12,4 Prozent. In Innsbruck war die Zunahme mit 19,4 Prozent auch re

lativ hoch, in Feldkirch waren es nur 4,5 Prozent mehr als 2018.

Trotz der Zunahme der Austritte beurteilt die Wiener Pastoralth­eologin Regina Polak die Situation der katholisch­en Kirche in Österreich als stabil. Den Grund dafür sieht Polak laut „Kathpress“vor allem in der „demografis­ch stabilen älteren und älter werdenden Gesellscha­ft“, in der es noch sehr viel Katholizit­ät gebe. Dennoch ortet sie im Rückgang den Beginn einer „tektonisch­en Plattenver­schiebung“, die in den kommenden zehn bis 20 Jahren deutlich zutage treten werde: Für immer mehr junge Menschen hätte Religion immer weniger Lebensrele­vanz.

„Die Kirche hat nach dem Abschied von der traditione­llen Gestalt einer Volkskirch­e ungeGrund

heure Aufgaben vor sich“, das betont Pastoralth­eologe Paul Zulehner. Heute sei niemand mehr verpflicht­et, Mitglied der Kirche zu sein. Entspreche­nd gehe es darum, den Menschen zu vermitteln, wie das Evangelium zum Glücken des eigenen Lebens beitragen kann. Die Schlüsself­rage sieht Zulehner im Umgang mit jungen Frauen. „Diese fühlen sich von der katholisch­en Kirche ob ihres Geschlecht­s diskrimini­ert und vernachläs­sigt.“Der Pastoralth­eologe hofft da auf Papst Franziskus und auf eine baldige Zulassung von Frauen zum Diakoninne­n-Amt. Die zentrale Frage laute nicht, „ob wir in Zukunft genug Seelsorger haben, sondern genug Menschen, die sich der Jesusbeweg­ung anschließe­n“, betont Zulehner.

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Die Austritte aus der katholisch­en Kirche in Kärnten haben auch finanziell­e Auswirkung­en auf die Diözese Gurk-Klagenfurt
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KLZ/WEICHSELBR­AUN

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