Intime Ratschläge in Serie
Explizit oder sportlich. Über die zweite Staffel der Jugendserie „Sex Education“und das Eiskunstlauf-Drama „Spinning Out“.
Ein Jahr ist vergangen, seit der Sexkoffer aufging und die fiktive Moordale-Secondary-Schule zum Schauplatz der Serie „Sex Education“wurde. Wo liegt Moordale? Überall, wo Menschen heranwachsen, wo sich Menschen lieben lernen und dabei manchmal ein wenig Hilfe brauchen.
Die erste Staffel der TeenieSerie „Sex Education“war 2019 ein enormer Erfolg. Sex sells, auch auf Netflix. Weil es nicht nur zur Sache geht, sondern um zutiefst Menschliches: Im Mittelpunkt steht Otis, der nerdige, liebenswerte, aber auch wegen seiner als Sextherapeutin praktizierenden Mutter ein wenig verstockte Teenager. Immerhin konnte er vom Wissen seiner Mutter – großartig gespielt von Gillian Anderson („Akte X“) – etwas mitnehmen und steht seinen Schulkollegen bei Sexproblemen bei. Diese Grenzüberschreitung hätte in die Hose gehen können. Tat sie aber in ihrer klugen und sympathischen Offenheit nicht. In Österreich kam die mit der Altersangabe 16+ versehene Serie 2019 auf Platz sechs der Netflix-Charts – noch vor „Stranger Things“.
Wollen Journalisten „Sex Education“vor dem offiziellen Start ansehen, schickt Netflix eine Liste an Spoilern mit, die tunlichst in keiner Besprechung Erwähnung finden sollen: Wer mit wem und wie? Dazu Chla
mydien, Trennungen oder Schwangerschaften. Sagen lässt sich freilich trotzdem etwas über die morgen startende Staffel: Ernster als in der Auftaktsaison, wird das Leben für Otis noch komplizierter. Weil er in private Interessenskonflikte gerät und Mutter Jean an seiner Schule zu arbeiten beginnt.
„Spinning Out“: Wer bei Eiskunstlauf an Grazie, Perfektion und Eleganz denkt, wird in der Netflix-Serie „Spinning Out“mit einem Gegenentwurf konfrontiert. Hier ist erst einmal jeder kaputt. Körperlich und erst recht seelisch. Nicht nur wegen des Eiskunstlaufs; schon eher mit ihm. Im Mittelpunkt der in Kanada spielenden Geschichte steht Kate (Kaya Scodelario), die Profi-Eistänzerin werden will und wie ihre Mutter an einer bipolaren Störung leidet.
Die zehnteilige Serie bedient sich mit beiden Händen aus dem Repertoire der Sportfiktion und ließe sich als TeenieFlunkerei unterschätzen. Doch die Leichtfertigkeit ist von vermeintlichem Charakter: In der Auseinandersetzung mit Kates Krankheit und ihrem Erfolgsdruck findet eine Geschichte mit naiv-wahrhaftigem Charakter statt.