Außenminister Schallenberg und Kulturstaatssekretärin Lunacek.
Außenminister Alexander Schallenberg über Ankaras Abdriften von Europa, die Kriegsgefahr am Persischen Golf und den Abschied der Briten von der EU.
Herr Minister, Sie dürfen als Einziger der Übergangsregierung weitermachen. Was ist das für ein Gefühl? ALEXANDER SCHALLENBERG: Das eines Neuanfangs. Mit der geschäftsführenden Bundesregierung waren wir in einer Phase des Verwaltens. Mit einem klaren Regierungsprogramm und einer Mehrheit im Nationalrat können wir jetzt gestalten.
Was für Akzente werden Sie in der Außenpolitik setzen? Wichtig ist mir, dass wir gemeinsam mit Sebastian Kurz und Karoline Edtstadler erstmals eine Außen- und Europapolitik aus einem Guss machen. Mein Fokus wird auf Multilateralismus, Menschenrechten Klimaschutz und Abrüstung liegen, wo Österreich besondere Glaubwürdigkeit hat. Ich will Wien als Ort des Dialoges stärken. Dann gibt es noch die traditionellen Schwerpunkte: die Nachbarschaftspolitik am Westbalkan und die strategischen Partnerschaften mit Russland, China und den USA.
Wäre es für eine Europa- und Außenpolitik aus einem Guss nicht besser, auch die Europaagenden bei Ihnen zu belassen? Die EU-Kompetenzen sind bereits seit 2017 im Kanzleramt sehr gut aufgehoben. Denn der Europäische Rat hat im Institutionenkonzert der EU eine zentrale Rolle. Wir werden sehr eng zusammenarbeiten. Es wird kein Löschblatt zwischen uns passen.
Sie waren gerade in Brüssel. Wie sieht man dort Türkis-Grün? Sehr positiv. Die Aufmerksamkeit ist groß. Alle haben die Regierungsbildung mitverfolgt.
Könnte die neue Koalition Modellcharakter für Europa haben? Es wäre vermessen, zu glauben, dass Österreich Modell ist. Aber Vorreiter sind wir jetzt in Europa schon irgendwie.
War Türkis-Blau ein Fehler? Keineswegs.
Die neue Regierung bekennt sich klar zu Europa. Schmerzt es Sie, dass die EU so schwach ist? Die EU ist weltpolitisch nicht so schwach, wie man es immer wieder in europäischen Medien darstellt.
Sie ist nicht einmal in der Lage, vor der eigenen Haustür, in Syrien, in Libyen Ordnung zu schaffen. Kein internationaler Partner schafft das alleine, auch nicht die Amerikaner. Das wird nur gelingen, wenn es eine gemeinsame Anstrengung der internationalen Gemeinschaft gibt und ein Minimum an Willen der jeweiligen Konfliktparteien.
Was hat die EU aggressiven globalen Mächten wie Russland und China entgegenzusetzen?
Das europäische Lebensmodell ist weiterhin sehr attraktiv. Wir Europäer können es mit einem Quäntchen Selbstvertrauen durchaus aktiver in der Welt vertreten.
Am Balkan schwindet Europas Glanz. Wie groß ist die Gefahr, dass die Region abdriftet?
In der Politik gibt es kein Vakuum. Wenn Europa den Anschein erweckt, sich vom Westbalkan zurückzuziehen, werden andere Akteure, Russland, China, die Türkei, nachstoßen. Das kann nicht in unserem Interesse sein. Wir wollen, dass alle Staaten des Westbalkan irgendwann Teil der EU-Familie sind.
Der gefährlichste Konfliktherd ist derzeit der Persische Golf. Wird es Krieg mit dem Iran geben?
Die unmittelbare Gefahr ist nicht mehr so akut wie vor einigen Tagen. Aber leider sind wir weit davon entfernt, Entwarnung geben zu können. Die Lage ist unglaublich angespannt.
Teheran hat nun offiziell den Abschuss des ukrainischen Passagierflugzeugs zugegeben. Soll die EU neue Sanktionen verhängen? Der Iran hat diesen Schritt gesetzt. Das ist positiv zu vermerken. Der Abschuss war eine bedauerliche Katastrophe. Die wirkliche Konsequenz, die wir alle daraus ziehen müssen, ist, den Mut zu finden, aus der Gewaltspirale auszubrechen.
Was kann Europa dafür tun? Europa hat belastbare Beziehungen und Dialogkanäle zu beiden Konfliktparteien, zu den USA und zum Iran. Beides sollten wir jetzt einsetzen. Denn womit wir gegenwärtig konfrontiert sind, ist auf Französisch ein „dialogue de sourds“, ein Sich-Anschweigen.
Sie sagen, Sie stünden ohne Wenn und Aber hinter dem Wiener Atomabkommen. Ist der Deal in Wahrheit nicht längst tot?
Das sehe ich nicht so. Ja, es stimmt, dass sich der Iran und die USA schrittweise vom Atomdeal zurückgezogen haben. Aber ihn zu Grabe zu tragen, wäre falsch. Es ist ähnlich wie beim Pariser Klimaabkommen. Auch wenn nicht alle daran teilnehmen, ist es trotzdem richtig und wird aufrechterhalten. Hätte es den Wiener Atomdeal nicht gegeben, würde der