Notwendiger Zorn
Interview „Für mich ist dieses Europa ja sehr praktisch“, 12. 1.
Nach „Bauer unser“war „Mind the Gap“von Robert Schabus die zweite große Filmpremiere eines Kärntner Dokumentarfilmers von Rang, die im vollen Klagenfurter Wulfeniakino über die Bühne ging. War es Absicht, war meine Frage an Robert Schabus in der Diskussion danach, an der sich auch LH Peter Kaiser engagiert beteiligte, dass dieser „Abgesang auf das vereinte Europa“– wie ich es nannte –, dieser „Abgesang auf den neoliberalen Kapitalismus“mich so wütend machte, dass ich abschließend Peter Kaiser zitierte, der bedauernd vom
„schleichenden Gift der Entsolidarisierung“gesprochen hatte? Robert Schabus ließ in seinem Film nur einfache Leute zu Wort kommen, die glaubhaft mitteilen, warum die Leute der neuen Mittelklasse das soziale Denken vermissen lassen und damit die EU und die Utopie einer übernationalen Demokratie verrieten.
Was mich am meisten wütend machte, nach den skandalösen Szenen aus dem GelbwestenFrankreich, aus dem BrexitEngland oder Hartz-4-Deutschland, war nicht die Untergangsstimmung aus Griechenland, sondern es waren die Schlussszenen aus dem vermeintlich glücklichen Österreich.
Die Bitte aus dem Publikum, dass der nächste Film von Robert Schabus einen etwas optimistischeren Touch haben könnte, der die Hoffnung auf ein Europa der Zukunft nicht zerstört, war nicht unberechtigt. Trotzdem, wütend zu sein, oder zornig, wie es Schabus formulierte, ist notwendig.
Horst Dieter Sihler, Klagenfurt