WegenHasspostings verurteilter Kärntner gibt Einblick in seine Taten: „Ich war frustriert und ließ mich hinreißen.“
Pilotprojekt evaluiert: Täter sind primär Männer zwischen 40 und 60.
In Wien, der Steiermark, Oberösterreich und Tirol läuft seit 2018 das Pilotprojekt „Dialog statt Hass“. Der Verein „Neustart“hat in Kooperation mit der Justiz als Antwort auf die Herausforderung im Bereich der Hasskriminalität ein Interventionsangebot entwickelt. Nach oder anstatt einer Verurteilung sollen Hassposter in 20 Einzeloder Gruppensitzungen ihre Taten aufarbeiten. Dabei werden ihnen nicht nur Medien- und Diskurskompetenzen sowie Rechtsnormen vermittelt; zentraler Aspekt ist der Perspektivenwechsel, also die Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung für die Auswirkungen der Verhetzung auf Opfer und Opfergruppen.
30 Fälle konnten in der ersten Projektphase abgeschlossen und evaluiert werden, sechs zugewiesene Klienten lehnten das Diversionsangebot ab. 73 Prozent der Fallzuweisungen erfolgten durch Staatsanwaltschaften, 17 Prozent von Gerichten. Die Fälle betrafen zu 71 Prozent Männer. Der Altersschwerpunkt liegt zwischen 40 und 60 Jahren. Ziel der Diskriminierung waren fast ausschließlich Flüchtlinge und Migranten. Hauptmedium der Verhetzung war Facebook. In 91 Prozent der Fälle haben die Klienten zum Abschluss des Programms Einsicht geäußert, nur in zwei Fällen war dies nicht gegeben.
Das Programm wird inzwischen in ganz Österreich angeboten, seit Juli 2019 werden Sozialarbeiter geschult. Vergangene Woche machte „Neustart“-Kärnten-Leiter Alfred Gschwendner Gericht und Staatsanwaltschaft auf das Service aufmerksam. Zuweisungen vonseiten der Justiz gab es nämlich hierzulande noch keine. gab es 2019 in Österreich wegen Belästigungen, Beleidigungen, übler Nachrede oder Verhetzung im Netz.
Haft drohen, wenn das Hasspostingeiner breiten Öffentlichkeit (ab circa 150 Menschen) zugänglich gemacht wurde.
TVon Thomas Martinz
schetschenische und afghanische Straftäter sind hier nicht erwünscht. Sie haben keine Lebensberechtigung.“Diese Worte wählte ein Mann vor wenigen Jahren in einem sozialen Netzwerk. In seinem Leben – und politisch – habe sich zuvor viel verändert. „Ich habe Meldungen aus unterschiedlichen Kanälen aufgenommen, war einfach frustriert und habe mich zu diesem und drei, vier anderen Postings hinreißen lassen“, sagt der Mann, der anonym bleiben will. Dass er sich damit strafbar gemacht haben könnte, sei ihm erst bewusst geworden, als die Kriminalpolizei vor der Türe gestanden sei. Verhetzung. Ein Haft lautete das Urteil.
Die neue Regierung hat den Kampf gegen Hass im Netz in ihrem Programm festgeschrieben. Bildungsminister Heinz Faßmann kündigt an, dass sich Schulen dieses Themas verstärkt annehmen müssten. Und Justizministerin Alma Zadic´ hatte härtere juristische Konsequenzen für Hasskommentare auf ihrer Agenda, als sie noch gar nicht selbst Opfer derartiger Internetbotschaften war.
Jahr
geht es mit elf, zwölf Jahren los. Lügen, bloßstellen, ausgrenzen, Angst verbreiten. Andere werden erniedrigt, um sich selbst zu erhöhen. Feige, virtuell, versteckt. Drei, vier sind unterstützend aktiv. Und die große soziale Macht schaut weg. Daher setzen wir an den Schulen mit der Aufklärung an“, erklärt Rainer Tripolt, Leiter der Präventionsabteilung des Landeskriminalamtes, der Sozialpädagogik studiert hat.
Und wie ticken erwachsene Hassposter? „Die Menschen sind mit ihrem Leben unzufrieden, suchen Sündenböcke, die sie für das eigene patscherte Leben verantwortlich machen. Migranten, Junge, politisch anders Denkende, Frauen. Es braucht nicht viel, um sich im Netz den Frust von der Seele zu schreiben. Alkohol verstärkt wie im realen Leben die verbitterte Grundstimmung.“Anzeigen