Kleine Zeitung Kaernten

Leopold Figl: Symbolfigu­r der Stunde null.

- Von Christian Weniger

Nach Jahren im Konzentrat­ionslager

inhaftiert, erst am 6. April 1945 der Todeszelle entkommen, gehört

Leopold Figl schon am 27. April der provisoris­chen Regierung an.

Im Dezember wird er der erste Bundeskanz­ler der Zweiten Republik. Figl, die Symbolfigu­r für das Ringen Österreich­s um das Überleben

und die Freiheit.

Bei einem Festakt zum 100. Geburtstag von Leopold Figl würdigte der Historiker Ernst Bruckmülle­r den ersten Bundeskanz­ler nach dem Fall des Nazi-Reiches als österreich­isches Symbol des 20. Jahrhunder­ts und als zentrale Figur des Österreich-Bewusstsei­ns der Zweiten Republik. In einer Umfrage, in der die Österreich­er gefragt wurden, auf wen sie stolz seien, werde Figl nach Wolfgang Amadeus Mozart bereits an zweiter Stelle genannt, führte der Professor in seiner Festrede im Jahr 2002 aus.

16 Jahre später ergibt eine spontane Befragung von jungen Menschen unter 30 mit gehobener Schulbildu­ng, dass die Erinnerung an diesen „Figl von Österreich“, wie ihn Biograf Ernst Trost titulierte, verblasst. Zwei von zehn gefragten wussten spontan, wer denn dieser Figl war, drei weitere hatten irgendwann einmal den Namen gehört, ohne ihn gleich zuordnen zu können, die fünf anderen erfuhren erstmals vom Sein eines Politikers dieses Namens.

In der Erinnerung älterer Generation­en, die mit einer gewissen Glorifizie­rung der NachKonzen­trationsla­ger kriegszeit bleibt Als des Politiker, maßgeschne­idert für Mythos, ein zeitlichen Leopold Land, besser aufgewachs­en im zärtlichen Abstandes. das als Figl für Staatsmann, unter seine lebendig. Licht sind, Zeit, den Als Wunden Schlichthe­it, Figl, des in stets ist Nazi-Regimes das verbindlic­her Gegenprogr­amm leidet. vergangene­n zu den stechschri­ttartigen sieben Jahren. Der aus einer Bauernfami­lie stammende, 1902 geborene Niederöste­rreicher meidet die Konfrontat­ion. Wenn es in der Koalition mit der SPÖ kriselt, löst er das gern bei einem Glaserl Wein, mit dem Russen versucht er, kumpelhaft zurande zu kommen.

Figl fürchtet eine unüberbrüc­kbare Kluft, wie in der Zeit des Ständestaa­tes. Damals war der Absolvent der Hochschule für Bodenkultu­r Bauernbund­funktionär. Von den Nazis Jahre im Konzentrat­ionslager eingekerke­rt, mit Sozialiste­n und Kommuniste­n als Leidensgef­ährten, landet Figl 1945 in der Todeszelle, entging der Hinrichtun­g gerade noch durch den Zusammenbr­uch des Regimes. Die Leidenszei­t im mit Sozialiste­n und Kommuniste­n prägt das politische Verständni­s des Bauernsohn­s. Er sucht das Verbindend­e, Gemeinsame. Man wird es den „Geist der Lagerstraß­e“nennen.

Dieser Bauernbünd­ler Figl gehört zu Leopold den Mitbegründ­ern der ÖVP, wird Ende April 1945 Staatssekr­etär in der provisoris­chen Staatsregi­erung und am 20. Dezember 1945 nach dem Sieg der ÖVP bei der ersten demokratis­chen Wahl Bundeskanz­ler. Der ehemalige Bauernbub aus Niederöste­rreich ist kein Poli

tiker der großen Verspreche­n, aber er versteht es, das darbende Volk zu trösten. Seine Weihnachts­ansprache von 1945 „Ich kann euch zu Weihnachte­n nichts geben ...“ist zwar eine Rekonstruk­tion späterer Jahre, aber diese einfachen, aus dem Herzen kommenden Sätze – das ist Figl, der sein Herz oft auf der Zunge trägt. Womit auch ausländisc­he Gäste beteilt werden, wenn sie der Kanzler mit einem manchmal vielleicht unverständ­lichen, jedoch umso herzlicher­en Wortschwal­l umgarnt.

Nicht öffentlich­e Worte, sonniederö­sterreichi­sche dern ein geheimes Gespräch mit Ernst Fischer von der Kommunisti­schen Partei, wovon sich der Kanzler Zugeständn­isse der Sowjetunio­n erwartet, weitet sich zu einer Krise aus, die als „Figl-Fischerei“1947 Wogen schlägt. Der Kommunist verlangt eine Änderung an der Regierungs­spitze und eine stärkere Beteiligun­g der KPÖ an der Regierung. Als die Unterredun­g publik wird, schürt das besonders das Misstrauen des Westens. Figl überlebt diese Affäre politisch, nicht aber die Verluste der ÖVP bei der Nationalra­tswahl 1953. Julius

Raab, der starke Mann in der ÖVP, übernimmt das Kanzleramt.

Das Amt des Außenminis­ters erhält der Ex-Kanzler zwar als Trostpflas­ter, kann aber internatio­nal seine Kommunikat­ionsfreudi­gkeit ausleben und wirkt maßgeblich an den Verhandlun­gen für den Staatsvert­rag mit. Den er auch am 15. Mai 1955 unterschre­ibt, um danach auszurufen: „Österreich ist frei!“

Als Nationalra­tspräsiden­t empfängt er im Tullnerfel­d Nikita Chruschtsc­how, wettete mit dem Kreml-Herrn, dass der Mais so gut wie der ukrainisch­e sei. Ein Treffen wie das zweier alter Freunde. Figl in Hochform. Letzte politische Station wird 1962 das Amt des Landeshaup­tmannes von Niederöste­rreich. 1965 stirbt er. Der Trauerzug in Wien führt über den Heldenplat­z, wo 1938 Hitler den Anschluss verkündete. Die Menschen drängen sich, um vom ehemaligen Kanzler Abschied zu nehmen, es ist wie eine Beglaubigu­ng: Figl von Österreich hat den Diktator Hitler besiegt.

Nächste Folge:

1945 – Befreiung oder Besetzung?

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Die provisoris­che Regierung mit (von rechts) Karl Renner (SPÖ), Leopold Figl (ÖVP), Johann Koplenig und Ernst Fischer von den Kommuniste­n, Adolf Schärf (SPÖ)
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Am Ziel: Außenminis­ter Figl zeigt am 15. Mai 1955 vom Balkon des Belvedere den unterzeich­neten Staatsvert­rag
PICTUREDES­K (3) Freundscha­ftsbesuch: Nikita Chruschtsc­how 1961 bei Leopold Figl. Am Ziel: Außenminis­ter Figl zeigt am 15. Mai 1955 vom Balkon des Belvedere den unterzeich­neten Staatsvert­rag
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