Kleine Zeitung Kaernten

Forscher im Interview: wann es einen Covid-Impfstoff geben wird und wer ihn zuerst bekommt.

Florian Krammer forscht in New York an Impfstoffe­n: Er erklärt, warum wir zuversicht­lich sein dürfen, dass es Anfang 2021 eine Impfung geben wird – und welche Fragen bis dahin zu klären sind.

- Von Sonja Krause

Bis es eine Impfung gibt“: Diesen Zeithorizo­nt hört man in vielen Überlegung­en zum Ende der Covid-Pandemie. Doch wie sicher können wir uns sein, dass es so eine Impfung geben wird?

FLORIAN KRAMMER: Ich bin sehr zuversicht­lich, dass es eine Impfung geben wird. Es werden schon fünf Impfstoff-Kandidaten im Menschen getestet, in den USA, in Großbritan­nien und in China laufen diese Phase-I-Studien, und es kommen immer mehr dazu, in Deutschlan­d wurde eine klinische Studie angekündig­t. Wir sehen jetzt auch schon erste Daten aus dem Tiermodell aus China, die sehen sehr gut aus: Ein sehr einfacher Impfstoff konnte Rhesusaffe­n vor einer Infektion mit Sars-CoV-2 schützen.

Hat dieses neue Coronaviru­s Eigenschaf­ten an sich, aufgrund deren Sie sagen können: Dagegen können wir gut impfen?

Es wurde ja schon ab 2003, nach der Sars-Pandemie, an SarsImpfst­offen gearbeitet – doch sobald das Virus weg war, gab es keine Forschungs­gelder mehr. Daher sind wir auf solche Ausbrüche nicht vorbereite­t. Doch zumindest wissen wir, welches Antigen wir in die Impfung packen müssen: Es ist das SpikeProte­in, das an der Oberfläche des Virus sitzt. Wenn wir damit impfen, produziert das Immunsyste­m in der Folge neutralisi­erende Antikörper. Das ist relativ einfach, nicht so wie bei HIV, wo man 30 Jahre an einem Impfstoff forschen muss. Es ist auch nicht wie bei Influenza, dass sich das Virus ständig verändert: Coronavire­n können sich verändern, aber das passiert nicht sehr häufig.

Man spricht heute schon von unterschie­dlichen Stämmen des neuen Coronaviru­s.

Ja, es gibt einen asiatische­n und einen europäisch­en Stamm. Aber es wurde schon gezeigt, dass Antikörper gegen beide Stämme gleich gut wirken, da gibt es wenige Mutationen.

Nun gibt es andere Vertreter der Coronavire­n, die harmlose Erkältungs­krankheite­n auslösen: Gegen diese Viren gibt es keinen Impfstoff und man kann sich auch immer wieder anstecken. Spricht das gegen einen Impfstoff?

Nein. Wir könnten sehr wohl einen Impfstoff gegen diese harmlosere­n humanen Coronavire­n herstellen – aber das zahlt sich nicht aus, weil die Krankheits­verläufe so milde sind. Niemand würde sich impfen lassen, Firmen würden keinen Gewinn machen. Von humanen Coronavire­n haben wir auch Daten, die zeigen: Wenn man nach der Infektion Antikörper gebildet hat, ist man immun – wie lange diese Immunität anhält, ist eine andere Frage. Vielleicht hält der Immunschut­z gegen Sars-CoV-2 nur für ein bis drei Jahre, aber das wäre auch kein Problem – die Zeckenimpf­ung muss man ja auch auffrische­n.

Es werden unterschie­dliche Ansätze für Impfungen verfolgt: Welcher ist der vielverspr­echendste?

Das ist noch schwer zu sagen. Eine chinesisch­e Firma verwendet eine sehr alte Methode, wobei man das Virus in einem Bioreaktor wachsen lässt, abtötet und die Antigene als Impfstoff verwendet. Das ist eine primitive Technologi­e, lässt sich aber fast überall umsetzen – das können Hersteller auf der ganzen Welt machen. Demgegenüb­er gibt es moderne Methoden, die RNA-Impfstoffe: Da gibt es schon sehr gute Daten für andere Viren und es gibt drei oder vier Firmen, die solche Impfungen herstellen können. Da das

eine neue Technologi­e ist, können wir noch schwer abschätzen, wie gut sie beim Menschen funktionie­rt. Doch alle Kandidaten, die in klinischen Studien getestet werden, sind vielverspr­echend, sonst würden die Firmen das gar nicht machen.

Die zentrale Frage ist: Wann wird es die Impfung geben?

Wir werden vermutlich Anfang 2021 einen Impfstoff haben.

Bis dahin muss sich die Welt überlegen, wie der Impfstoff fair verteilt wird – was wird es dafür brauchen?

Da gibt es zwei Dimensione­n: Wie wird der Impfstoff weltweit verteilt? Das wird davon abhängen, wie viele Impfstoffe zugelassen sind und wie viele Hersteller Impfstoffe produziere­n. Ich gehe davon aus, dass es nicht einen, sondern mehrere Impfstoffe geben wird. Wenn es mehrere Hersteller gibt und diese global gut verteilt sind – danach schaut es momentan angesichts der klinischen Studien aus –, wird man gute Lösungen finden, das aufzuteile­n. Falls es nur einen Hersteller geben sollte, sind die Produktion­skapazität­en sehr eingeschrä­nkt.

Und die zweite Dimension?

Wen impfen wir innerhalb eines Landes zuerst? Gesundheit­spersonal hat direkt mit Kranken zu tun, daher sind sie wahrschein­lich die Ersten, die man impft. Wenn man Hochrisiko­gruppen wie ältere Menschen vorrangig impfen will, muss man bedenken, dass Impfungen bei älteren Menschen oft nicht so gut funktionie­ren, weil das Immunsyste­m nicht mehr so fit ist. Da muss man eine Strategie entwickeln, welche Altersgrup­pe zuerst geimpft wird. Stellt man zum Beispiel durch das Durchimpfe­n der Jüngeren eine Herdenimmu­nität her, sind die Älteren dadurch auch geschützt. Das sind Fragen, die wir diskutiere­n müssen.

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STOCK.ADOBE Kommt der Impfstoff – und wer bekommt ihn zuerst?

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