Kleine Zeitung Kaernten

Auf Sand gebaut

Grenzen dicht, Reisebüros am Abgrund, Urlaubsort­e leer: In diesem Sommer ist nichts so, wie es einmal war. Über die fast aussichtsl­osen Bemühungen, die Saison zu retten.

- andreas.lieb@kleinezeit­ung.at Andreas Lieb

Am Rande des virtuellen Ratstreffe­ns der EU-Tourismusm­inister machte gestern Binnenmark­t-Kommissar Thierry Breton den zweckdienl­ichen Vorschlag, einen eigenen Tourismusg­ipfel abzuhalten – aber erst im Herbst.

Das allein drückt schon aus, wie verfahren die Lage ist. Der Tourismus ist eine der wichtigste­n Säulen der europäisch­en Wirtschaft, zwölf Prozent aller Jobs hängen davon ab. Doch jetzt, Ende April, weiß man mit Sicherheit nur eines: So, wie man die Urlaubszei­t bisher gewohnt war, wird sie in diesem Sommer nicht sein.

Da helfen auch die fast schon verzweifel­t wirkenden Ideen von Urlaubskor­ridoren (gewisserma­ßen von einem „gesunden“Land ins andere) nicht viel. Entscheide­nd ist, wie sich die Pandemie im Detail weiterentw­ickelt. Das ist auch den EU-Ländern klar, die mehrfach betont haben, dass jede einzelne Entscheidu­ng über wieder geöffnete Grenzen und Reiseerlei­chterungen nur dann möglich ist, wenn die Epidemiolo­gen grünes Licht geben.

Doch damit fangen die Probleme erst an. Erster zentraler

Punkt ist, ob nachvollzi­ehbares und wissenscha­ftlich abgesicher­tes Material über die Pandemiesi­tuation vorhanden ist. Gestern erst haben wir über Griechenla­nd und die angeblich sehr geringen Coronafolg­en dort berichtet; es besteht Grund, das anzuzweife­ln. Griechenla­nd zieht mehr als 20 Prozent seiner Wirtschaft­sleistung aus dem Tourismus.

Jedes europäisch­e Land hat seinen eigenen Umgang mit Datenerfas­sung und -auswertung, mit Tests und Maßnahmen. Valide Daten und damit sinnvolle Vergleiche sind derzeit nur schwer erhältlich. Zur Erinnerung: Der Gesundheit­sbereich ist Ländersach­e, die EU kann hier bestenfall­s vermitteln.

Aber setzen wir das Gedankenex­periment fort: Sagen wir, bestimmte Regionen in Österreich oder Italien oder einige spanische oder griechisch­e Inseln sind von dramatisch­en Folgen verschont geblieben, haben tatsächlic­h geringe Fallzahlen – müssten gerade diese Gebiete nicht Schlimmes befürchten, wenn Tausende Touristen aus allen möglichen Ländern zu ihnen W kommen können? omit wir bei der schwierige­n juristisch­en Hürde wären. Angenommen, Österreich und Deutschlan­d würden die Grenzen zueinander öffnen – müsste man dann beim deutschen Gast nicht doch schauen, ob er aus Sylt kommt oder aus München? Wäre anderersei­ts ein Reisepass ausreichen­d – und dürfte etwa ein italienisc­her Staatsbürg­er, der seit zehn Jahren in Berlin lebt, dann dennoch nicht einreisen? Und wie würde man mit allen Buchungen verfahren, wenn sich die Lage doch wieder verschlimm­ert? Ein weiteres Mal alles rückabwick­eln? Am ehesten praktikabe­l scheint noch der Urlaub im eigenen Land zu sein. Doch das fängt die Verluste nur zum Teil auf.

Die Lösung der Detailfrag­en ist unfassbar schwierig. Und selbst die wichtigste ist offen: wie viele Menschen heuer tatsächlic­h in andere Länder aufbrechen wollen. Oder können.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria