Von Ideologien, Narren und dem Radfahren
Eigentlich hätte er in regen Austausch mit Studenten, Schülern und Kulturinteressierten treten sollen, nun tritt er vor allem in die Pedale: Mladen Savi´c ist der erste Gast des Projekts „autor@musil“.
Kaum angekommen, folgte zehn Tage später der Lockdown: Mladen Savic´ hat sich seine Zeit in Klagenfurt als erster Gast des Projekts „autor@musil“ein bisschen anders vorgestellt: Eigentlich sollte er für das Musil-Institut unter anderem eine Veranstaltungsreihe kuratieren und moderieren, für die er schon zahlreiche Gäste (darunter Tanja Stupar-Trifunovic´, Trägerin des Europäischen Literaturpreises) eingeladen hatte. Außerdem war ein Podcast geplant, „wo ich unter anderem Kärntner auf der Straße fragen wollte, was sie über Musil wissen“, erzählt der 41Jährige. Und sein Herzensprojekt: Workshops mit Schulklassen, in denen klassische Texte
in Jugendsprache hätten übersetzt werden sollen. Nun, das alles kann nicht stattfinden.
Immerhin kann Mladen Savic´ seine Klagenfurter Poetik-Vorlesung halten – wenn auch nicht im Hörsaal, sondern virtuell. Darin geht es anhand zahlreicher Texte quer durch alle Weltregionen und Epochen um die Frage, was ein Kunstwerk zum Kunstwerk macht. Und für einen Blog auf der Homepage des Musil-Instituts schreibt der gebürtige Zagreber, der 1985 mit der Familie nach Wien übersiedelt ist, Texte – der erste etwa handelte vom Ankommen in Klagenfurt, wo er in der „Villa For Forest“untergebracht ist.
Kärnten ist für Savic´ vor allem literarisch kein Neuland: Beim Drava-Verlag veröffentlichte der studierte Philosoph drei Sammelbände, zuletzt „Narrenschiff auf großer Fahrt“. Schon Sebastian Brant wollte Ende des 15. Jahrhunderts mit seinem „Narrenschiff“der Gesellschaft den Spiegel vorhalten, ähnlich nun auch Savic´: Es geht in den Essays und Polemiken um eine zunehmend zukunftslose Gesellschaft – bisweilen mit Narren am Ruder. Es geht um das rechte Österreich und den korrupten Balkan und darum, dass die Realität mitunter kaum von der Satire zu unterscheiden ist: „Mein Buch soll auch den Blick schärfen auf unterschiedliche Formen der Ideologisierung“, so Savic´, der sich selbst immer wieder (gesellschafts-)politisch engagiert hat. Unter anderem forderte ihn Kanada, wohin er 1998 übersiedelt war, sogar
nach Demonstrationen gegen das Nato-Bombardement von Serbien und Montenegro zum Verlassen des Landes auf – später erhielt er wieder eine Aufenthaltsgenehmigung. Und nach der Rückkehr 2007 nach Wien war er zeitweise Mitglied der Kommunistischen Partei. Seit 2009 lebt er als Lektor, Übersetzer und freier Autor in Wien, seine Texte erscheinen unter anderem in der Zeitschrift „Literatur und Kritik“von Karl-Markus Gauß.
Dass er derzeit als „geselliger Mensch“so wenig Gelegenheit zum persönlichen Austausch hat, ist schwierig für Savic´. Aber immerhin kann er ausgiebig einer weiteren Leidenschaft frönen: dem Radfahren. „Das ist in dieser wunderschönen Natur ein großer Trost.“