Die Schlussrunde im Zwist um den früheren Bischof in Kärnten: wie die Diözese mit den Schatten der Vergangenheit lebt.
Strafrechtliche Ermittlungen gegen Bischof Schwarz sind weitgehend eingestellt. Doch moralische Makel bleiben haften. Der neue Bischof Marketz hält sich bedeckt.
In der Katholischen Kirche Kärnten werden zwei Kapitel Kirchengeschichte parallel geschrieben. Mit der Bischofsweihe des Kärntner Slowenen Josef Marketz (64) am 2. Feber im Dom zu Klagenfurt begann eine neue Ära und mit ihr die Hoffnung vieler, dass jetzt endlich der Blick uneingeschränkt nach vorne und auf Neues gerichtet werden kann. Doch parallel gibt es noch eine Altlast. Denn die Ära von Marketz-Vorgänger Alois Schwarz, der im Sommer 2018, von schweren Vorwürfen zu Amts- und Lebensführung begleitet, als Bischof nach St. Pölten wechselte, ist für die Kärntner Kirche noch immer nicht abgeschlossen.
In der Vorwoche wurde das einmal mehr deutlich. Gegen Bischof Schwarz ermittelt(e) die Justiz nach dessen Wechsel mehrfach wegen des Verdachts des Betrugs und der Untreue. Dienst- und Mietverträge, Jagdeinladungen, ein Immobiliendeal waren der Anlass. Die meisten der (finanz-)strafrechtlichen Verfahren wurden bereits eingestellt. Zuletzt hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein VerInhalte fahren im Zusammenhang mit einem Pachtvertrag für ein Schloss eingestellt. Ein Verfahren läuft noch wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung nach einem Immobilienverkauf.
Für Schwarz gilt die Unschuldsvermutung, der Bischof hat stets alle Vorwürfe zurückgewiesen und in der Vorwoche deponiert: „Aus der Vielzahl an Vorwürfen der mittlerweile abgesetzten Interimsadministration der Kärntner Diözese, die auch medial für Aufsehen sorgten, ist nun seitens der Behörden der Großteil geprüft und als haltlos eingestellt worden.“
Und wenn schlussendlich alle Justizverfahren eingestellt würden? Dann werden in Kärnten jene Stimmen laut, die das von Beginn an gewusst haben wollen, oder jene, die alle Vorwürfe für haltlos hielten; auch jene, dass Schwarz durch seine Abhängigkeit von einer Frau erpressbar geworden sei. Es gibt aber auch solche, die sagen: „Die Rechtslage von Bistümern ist vielleicht nicht ganz klar.“Oder: „Nicht jede Misswirtschaft ist gleich strafbar.“Dompropst En
Guggenberger ist einer davon. Er war unter Schwarz Generalvikar, war nach dessen Weggang als Diözesanadministrator Interimsleiter der Kärntner Kirche und in dieser Funktion sofort Initiator der wirtschaftlichen Prüfung des millionenschweren Bistums als Mensalgut des Bischofs. Jetzt trifft ihn der Vorwurf, vom loyalen Generalvikar zum Aufdecker und Abrechner mit der Schwarz-Ära geworden zu sein. Guggenberger betont, es sei ihm um Transparenz, das Wiederherstellen von Vertrauen, um Kontrolle und die Beendigung von Schieflagen gegangen. Er hält fest: „Selbst wenn die Wirtschaft- und Korruptionsstaatsanwaltschaft keinen strafrechtlich relevanten Tatbestand sieht, so hat Bischof Schwarz dem Bistum dennoch wirtschaftlichen Schaden zugefügt.“Man hält also an den Vorwürfen der Misswirtschaft und des fragwürdigen Umgangs mit kirchlichem Vermögen (wie hohe Investitionen ins Bildungshaus Stift St. Georgen am Längsee, für Gehälter und Abfertigungen) fest. Guggenberger verweist auf gleichlautende
im Prüfbericht des Domkapitels. Er stellt klar: „Die Ergebnisse unseres Prüfberichtes waren nie Gegenstand der staatsanwaltlichen Untersuchungen.“Mit Ausnahme von zwei Selbstanzeigen der Kirche (wegen einer Abfertigung und einer Immobiliencausa der Ära Schwarz) wurde die Justiz immer von sich aus tätig. Etwa nach Medienberichten zu Jagdeinladungen des Bischofs oder durch einen Richter des Arbeitsgerichts.
Gabriel Stabentheiner, der Sprecher des „Forum mündige Christen“, das sich nach der Absetzung Guggenbergers formiert hat, legt den Blickwinkel noch weiter an bzw. auf „das schwache Unrechtsbewusstgelbert
sein in der Kirche selbst. Es ist traurig, dass die Kirche gerichtliche Strafverfahren notwendig haben könnte, um eine Klärung herbeizuführen.“Für ihn steht fest, „dass es moralisch und ethisch grobe Verfehlungen im Umgang mit Finanzen gab“.
Was im zweiten Prüfbericht zur Kärntner Kirche steht, darüber kann nach wie vor nur gerätselt werden. Einzig Bischof Marketz und Militärbischof Werner Freistetter, der nach der Guggenberger-Absetzung durch Rom als apostolischer Administrator für Kärnten eingesetzt worden war, kennen die Inhalte. Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner war von Rom mit der Visitation der Kärntner Kirbeauftragt worden. Seit März des Vorjahres liegt der Visitationsbericht in Rom. Bis jetzt ohne Kommentar.
Die Hoffnung in Kärnten, dass vor der Installierung eines neuen Bischofs die alte Causa vollends abgeschlossen wird, damit dann ein unbelasteter Neubeginn möglich ist, hat sich nicht erfüllt. Offizielle Aussagen aus Rom zur Visitation gibt es nicht, nur Hinweise oder Mutmaßungen von RomKennern: Im Vatikan werde abgewartet, bis die Justiz in Österreich alle Verfahren beendet hat. Andere verweisen auf die Erfahrungen nach apostolischen Visitationen: Da habe es von Rom zwar keinen offiziellen Bericht dazu gegeben, teils fahrenseinstellung gegen Schwarz mit: „Es steht mir nicht zu, Entscheidungen der Justiz zu kommentieren, wie immer sie ausfallen. Mein Blick ist seit Monaten konsequent nach vorne auf die Zukunft der Diözese Gurk und auch des Bistums gerichtet. Ich investiere meine volle Kraft in deren positive Entwicklung.“
Was hat der neue Bischof vor, der in seiner privaten Wohnung in der Klagenfurter Innenstadt lebt und nicht ins bischöfliche Palais gezogen ist? Diese Frage bleibt für Kärntner Gläubige vielfach noch unbeantwortet. Weil die Coronakrise manche Vorgänge ins Stocken gebracht hat. Marketz nützte die Zeit jedoch für Gespräche und fürs Entfachen von Prozessen. Er lädt Leute zur Teamarbeit, „damit wir gemeinsam die Kärntner Kirche weiter entwickeln“. Das Hierarchische ist nicht das Seine, das Solidarische sehr wohl. Öffentlich über Neues informieren will er erst, „wenn es konkrete Ergebnisse gibt“. Also heißt es warten.
Nahe bei den Menschen und ihren Alltagsnöten, bescheiden, leger und offen auch im Umgang mit Mitarbeitern, manchmal über seine eigene Spontaneität stolpernd, so wird der neue Bischof erlebt.
Eines hat er gleich nach seiner Weihe angekündigt: Priester und Laien sollen stärker zusammen arbeiten und Laien mehr Verantwortung bekommen. Er wisse, dass das nicht alle Priester wollen. Doch Marketz zeigt sich offensiv: „Meinen Weg gehe ich zehn Jahre. Nach mir wird ein anderer Bischof seinen Weg gehen. Somit bin ich jetzt mutig.“